Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 12. Senat | Entscheidungsdatum | 11.12.2013 | |
---|---|---|---|---|
Aktenzeichen | OVG 12 S 118.13 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 123 Abs 1 VwGO, § 146 Abs 4 VwGO, § 3 Abs 2 BÄO, § 3 Abs 2 BÄO, § 3 Abs 3 BÄO, § 10 Abs 5 BÄO |
Zu den Fragen, ob ein in Russland abgeschlossenes Hochschulstudium der Humanmedizin zur Approbation berechtigt und ob bei in Russland nicht abgeschlossener Arztausbildung eine Erlaubnis zur vorübergehenden Berufsausübung erteilt werden kann.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird unter Änderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung für beide Rechtszüge auf jeweils 40.000 EUR festgesetzt.
Die form- und fristgerecht begründete Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das für die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses maßgebliche Beschwerdevorbringen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) rechtfertigt dessen Änderung nicht.
Der Antragsteller kann unter Berufung auf das von ihm an der I.P. Pawlow-Universität in St. Petersburg (Russland) abgeschlossene Hochschulstudium der Medizin auch nach dem Stand des Beschwerdeverfahrens weder seine Approbation als Arzt gemäß § 3 Bundesärzteordnung - BÄO - noch die Erteilung einer Berufserlaubnis als Arzt (§ 10 Abs. 5 BOÄ) im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes verlangen. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind nicht glaubhaft gemacht.
1. Was das Approbationsbegehren des Antragstellers betrifft, so scheitert die Glaubhaftmachung eines Anspruchs weiterhin daran, dass nicht festgestellt werden kann, ob er seine ärztliche Ausbildung in dem für die Approbation zu verlangenden Sinn abgeschlossen hat, § 3 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 BÄO. Im Übrigen wäre die Prüfung mit einer solchen Feststellung auch noch nicht abgeschlossen. Vielmehr würde sich die Frage nach der Gleichwertigkeit der Ausbildung mit den hiesigen Anforderungen stellen. Insofern weist der Antragsteller nach seinem Hochschuldiplom nur insgesamt 14 Wochen praktische Anteile auf (vierwöchiges medizinisches Krankenpflegepraktikum, vierwöchiges Feldscher-Praktikum, sechswöchiges Arztpraktikum), was – im summarischen Verfahren nicht klärungsfähige – Zweifel weckt, ob die Gleichwertigkeit des Abschlusses gegeben ist. Aussagekräftige Unterlagen hierzu hat der Antragsteller nicht beigebracht. Das von ihm eingereichte Gutachten des Rechtsanwalts Prof. Dr. S_____ vom 31. Mai 2013 nimmt die Gleichwertigkeit des vom Antragsteller absolvierten Studiengangs an, ohne sich damit auseinanderzusetzen, ob die Ausbildung des Antragstellers unter Berücksichtigung des im Geltungsbereich der Bundesärzteordnung als Teil des Hochschulstudiums vorgesehenen praktischen Jahres gleichwertig berufspraktisch ausgerichtet war. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann insoweit der Umstand bedeutsam sein, dass der Antragsteller gerade nicht die sog. Internatur oder die Ordinatur durchlaufen hat. Denn es kommt für eine gleichwertige Stoffvermittlung nicht auf die formale Zuordnung zu bestimmten Aus- oder Weiterbildungsabschnitten an, sondern auf den materiellen Gehalt entsprechender berufspraktischer Phasen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2008 – 3 C 33.07 – NJW 2009, 867, juris Rn. 27).
Die den Schwerpunkt der bisherigen Auseinandersetzung bildende Frage, ob die ärztliche Ausbildung des Antragstellers mit dem erlangten Hochschuldiplom abgeschlossen ist und der Antragsteller allein damit eigenverantwortlich ärztlich tätig sein dürfte, wird durch das Beschwerdevorbringen nicht im Sinne des Antragstellers geklärt und glaubhaft gemacht. Auch der zuletzt eingereichte Schriftsatz vom 12. Dezember 2013 bringt insoweit keine Klarheit. Denn es ist offen, welche Bedeutung der Angabe im Diplom des Antragstellers zukommt, es berechtige zur Berufstätigkeit „entsprechend dem Ausbildungsniveau und der Qualifikation“. Letzteres deutet darauf hin, dass es noch weitere Qualifikationsstufen und ein höheres Ausbildungsniveau gibt, von deren Erreichen eine uneingeschränkte Zulassung zur Berufstätigkeit abhängt. Für eine unklare Situation spricht im Übrigen auch die vom Antragsgegner verwertete Internet-Seite, und zwar gleichviel, ob es sich um die Seite eine Forums, das sich unzulässiger Weise einen offiziellen Anstrich gibt, oder um eine „offizielle“ Seite des Bildungs- und Forschungsministeriums der Russischen Föderation handelt. Denn die Verfasser gehen davon aus, dass der Hochschulabschluss in Medizinwissenschaft dem Absolventen nicht die Möglichkeit zu selbständiger Berufstätigkeit eröffnet. Deshalb besteht nach wie vor eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Hochschulabschluss des Antragstellers nur eine ärztliche Tätigkeit unter Anleitung und Aufsicht in einem weiteren Ausbildungsabschnitt ermöglicht, wobei letztlich auf sich beruhen kann, ob dieser Abschnitt jetzt noch in Form der einjährigen Internatur oder nur noch durch eine die Facharztausbildung einschließende Ordinatur bzw. einen auch die Promotion einschließenden, noch länger dauernden weiteren Ausbildungsabschnitt absolviert werden kann. Denn der Antragsteller hat einen solchen weiteren Ausbildungsabschnitt unstreitig nicht durchlaufen und abgeschlossen.
Hiervon ausgehend kann schon ein Anordnungsanspruch nicht festgestellt werden, der eine Vorwegnahme der Hauptsache, wie sie mit der Verpflichtung des Antragsgegners zur Approbation des Antragstellers verbunden wäre, rechtfertigen könnte. Denn der Erlass einer einstweiligen Anordnung mit solchen Wirkungen setzt regelmäßig voraus, dass der betroffene Antragsteller mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Klageverfahren der Hauptsache obsiegen wird. Je klarer der Anspruch auf Approbation gegeben ist, umso eher ist für den Betroffenen eine Verweisung auf das Hauptsacheverfahren unzumutbar und treten die mit der Hürde der Approbation verfolgten legitimen öffentlichen Belange, insbesondere die Volksgesundheit und der Schutz von Leib und Leben vor unqualifiziertem Heilpersonal, zurück. Hingegen ist allein der Umstand, dass eine Klärung der Anspruchsvoraussetzungen schwierig und zeitaufwändig ist, allein noch kein Grund, den Belangen des Betroffenen vor denen der Allgemeinheit den Vorrang einzuräumen. Dafür geben weder die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG noch die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG Hinreichendes her. Im Fall des Antragstellers ist nach den vorstehenden Ausführungen eine solche Wahrscheinlichkeit oder Offensichtlichkeit des Anspruchs nicht gegeben.
2. Ein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs gemäß § 10 Abs. 5 BÄO ist ebenfalls nicht hinreichend sicher erkennbar. Eine solche Erlaubnis setzt nicht nur voraus, dass der Antragsteller die Berechtigung zur beschränkten Ausübung des ärztlichen Berufs auf Grund einer das Hochschulstudium abschließenden Prüfung außerhalb des Geltungsbereichs der Bundesärzteordnung erworben hat (Nr. 1), sondern erfordert zusätzlich, dass die auf Grund der Erlaubnis auszuübende Tätigkeit zum Abschluss einer ärztlichen Ausbildung erforderlich ist (Nr. 2). Selbst wenn man darüber hinwegsehen könnte, dass der Antragsteller primär die Auffassung vertritt, durch sein mit der Prüfung abgeschlossenes Hochschulstudium unbeschränkt zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit befugt zu sein, was den Anwendungsbereich der Regelung ausschließen würde, fehlt jeder Nachweis dafür, dass die angestrebte Tätigkeit – etwa im Rahmen des bis zum 30. April 2014 befristeten Arbeitsverhältnisses bei Dr. H_____– geeignet sein könnte, einen anstelle einer etwa nicht mehr vorgesehenen Internatur sonst in Betracht kommenden, in Russland vorgesehenen Ausbildungsabschnitt ganz oder teilweise auszufüllen. Ebenso wenig ist dargetan, dass die vorübergehende Tätigkeit den Antragsteller in Russland zur Ablegung der abschließenden Prüfung eines solchen weiteren Ausbildungsabschnitts berechtigen würde, etwa weil das vorgetragene Arbeitsverhältnis dort als Zulassungsvoraussetzung anerkannt würde.
Soweit mit der Beschwerdebegründung (Antrag zu 2. sowie S. 14 ff. des Begründungsschriftsatzes) darüber hinaus die Erteilung einer Erlaubnis zur vorübergehenden Berufsausübung nach § 10 Abs. 1 bzw. Abs. 1a BÄO reklamiert wird, ist die Beschwerde bereits unzulässig. Ein entsprechender Antrag war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens; mit seinem Hilfsantrag hat der Antragsteller allein die Erteilung einer Erlaubnis nach § 10 Abs. 5 BÄO begehrt. Für eine Antragsänderung im Beschwerdeverfahren ist kein Raum, da dieses allein der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung dient und sich daher auf den Streitgegenstand der Entscheidung des Verwaltungsgerichts beschränkt (st. Rspr., vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 8. August 2013 - OVG 12 S 40.13 - BA S. 2).
3. Ein „Hängebeschluss“, also eine Zwischenentscheidung, die nach der Vorstellung des Antragstellers hier allerdings bis zum Abschluss des Vorverfahrens oder gar des Hauptsacheverfahrens wirken sollte, kommt nicht in Betracht. Es ist schon nicht erkennbar, dass sich dieses Begehren in der Sache von dem vorstehend unter Ziffer 2. abgehandelten Antrag unterscheiden würde. Tatsächlich handelt es sich nur um ein „Minus“ in zeitlicher Hinsicht, weil der Erlass der einstweiligen Anordnung damit auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt beschränkt und damit die Vorläufigkeit der gerichtlichen Maßnahme hervorgehoben wird. Dabei handelt es sich regelmäßig um Maßgaben, die bei Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund im gerichtlichen Ermessen liegen und auf eine sachgerechte Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes zur vorläufigen Sicherung eines Rechts oder Regelung eines Zustandes gerichtet sind, ohne dass eine Bindung des Gerichts an Vorstellungen des Antragstellers bestehen würde. Sonst kann eine Zwischenentscheidung ausnahmsweise nur erwogen werden, wenn besondere Umstände vorliegen, insbesondere anderenfalls eine Vereitelung eines offensichtlich gegebenen Anspruchs droht.
Es besteht aber weder Anlass, einer Anregung des Antragstellers für entsprechende zeitliche Beschränkungen nachzugehen, noch liegt – wie dargelegt – eine Situation vor, in der ein offensichtlich gegebener Anspruch in seiner Durchsetzung gefährdet wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Dabei ist für die Verpflichtung des Antragsgegners zur Approbation wegen der damit einhergehenden Vorwegnahme der Hauptsache der volle Wert für entsprechende Streitigkeiten angesetzt worden (30.000 Euro, vgl. Nr. 16.1 des sog. Streitwertkatalogs, abgedr. NVwZ-Beilage 2013, 58), während für die Erlaubnis zur vorübergehenden Berufsausübung wegen des Bezuges zu einem auf ein halbes Jahr beschränkten Arbeitsverhältnis (20.000 Euro, vgl. Nr. 16.3 des Streitwertkataloges, a.a.O.) lediglich der hälftige Wert, dieser allerdings wegen Vorwegnahme der Hauptsache wiederum in voller Höhe, eingesetzt worden ist. Die erstinstanzliche Wertfestsetzung ist gemäß § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen entsprechend geändert worden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).