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Türkei; 14-jähriger deutscher Sohn; nachhaltige Ablehnung des Kontakts; Ausschluss des Umgangsrechts durch das Familiengericht; fehlende tatsächliche Verbundenheit; assoziationsrechtlicher Anspruch verneint


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 15.05.2013
Aktenzeichen OVG 7 S 34.13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 28 Abs 1 S 1 Nr 3 AufenthG, Art 6 Abs 1 GG, Art 6 EWGAssRBes 1/80, § 80 Abs 5 VwGO, § 146 Abs 4 S 3 VwGO

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die rechtzeitig erhobene und begründete Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 22. März 2013 hat auf der Grundlage des nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein maßgeblichen Beschwerdevorbringens keinen Erfolg.

Hierbei geht der Senat im Wege der Auslegung davon aus, dass der Antragsteller, der im Beschwerdeverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage VG 21 K 61.13 gegen die „Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung wie auch Abschiebungsandrohung“ im Bescheid des Antragsgegners vom 30. Januar 2013 zumindest bis zur rechtskräftigen Abklärung des Umgangsrechts mit seinem Sohn V... vor dem Familiengericht beantragt, ein solches Begehren bereits erstinstanzlich geltend gemacht hat. Zwar ist dem Verwaltungsgericht, das in seinem Beschluss vom 22. März 2013 davon ausgeht, der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO beziehe sich nur auf die Abschiebungsandrohung - und sich zur Frage der Rechtmäßigkeit der Versagung eines Aufenthaltsrechts nicht mehr entscheidungstragend äußert -, zuzugeben, dass der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 25. Februar 2013 ausdrücklich nur einen derart eingeschränkten Antrag gestellt hatte. Allerdings wird in der sich dort anschließenden und auf das vorläufige Rechtsschutz- und Klageverfahren beziehenden Begründung ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung aus Art. 6 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei (ARB 1/80) und im Hinblick auf das Umgangsrecht mit seinem Sohn geltend gemacht und sodann abschließend zum Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ausgeführt, wegen der dargelegten Fehler im angegriffenen Bescheid sei „die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen“. Dies lässt im Rahmen einer Gesamtbetrachtung den Schluss zu, dass vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO auch seinerzeit schon umfassend geltend gemacht werden sollte.

Der Antragsteller rügt mit der Beschwerde zunächst, das Verwaltungsgericht habe sich nicht näher mit seiner Argumentation bezüglich eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gemäß Art. 6 ARB 1/80 befasst, der auch nicht nachträglich wieder entfallen sei. Schließlich sei ihm 1993 eine unbefristete Arbeitserlaubnis erteilt worden, deren Wirksamkeit und Gültigkeit nicht durch andere Genehmigungsverfahren weggefallen sei. Hingewiesen werde auf die Auswirkungen der Urteile des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Sevince und Kus sowie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu 1 C 6.11 vom 22. Mai 2012 im Anschluss an das Soysal-Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Er habe von 2000 bis 2001 im Berliner Fruchthof gearbeitet und sei von 2001 bis 2004 als Selbständiger tätig gewesen. Danach habe er „eigentlich einen Anspruch auf die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gehabt, die ihm grundlos verweigert wurde“.

Dieses Beschwerdevorbringen rechtfertigt nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Ein Anspruch aus Art. 6 ARB 1/80 ist hiermit nicht dargelegt. Ein Arbeitsverhältnis von 2000 bis 2001 hätte im Falle einer ordnungsgemäßen Beschäftigung nach einem Jahr allenfalls zu einem Anspruch auf freien Zugang zu einer (Weiter-)Beschäftigung „bei dem gleichen Arbeitgeber“ und zu einem daraus abgeleiteten Aufenthaltsrecht führen können (Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80). Ein derartiger Anspruch entfällt aber vorliegend schon deshalb, weil der Antragsteller selbst ausführt, er sei anschließend von 2001 bis 2004 „als Selbständiger tätig“ gewesen. Ansprüche aus Art. 6 ARB 1/80 bestehen jedoch nur für (unselbständige) Arbeitnehmer. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang auf eine ihm 1993 erteilte unbefristete Arbeitserlaubnis verweist, sind daraus Ansprüche nach Art. 6 ARB 1/80 nicht ableitbar. Mit dem Hinweis auf die genannten Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts sind weitergehende assoziationsrechtliche Ansprüche nicht dargelegt. Ob dem Antragsteller im Jahre 2004 „eigentlich“ ein Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zugestanden haben soll, ist für die Frage des Bestehens von Ansprüchen aus dem ARB 1/80 unerheblich und auch ansonsten nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Weiterhin rügt der Antragsteller - unter Verweis auf eine beigefügte eigene eidesstattliche Versicherung - mit der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe eine schützenswerte Vater-Kind-Beziehung nicht vor (rechtskräftigem) Abschluss des familiengerichtlichen Verfahrens als nicht glaubhaft gemacht ansehen dürfen. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weißensee, Abteilung für Familiensachen, vom 16. Januar 2013, durch den der Umgang mit seinem Sohn bis zum 31. Dezember 2014 ausgeschlossen worden und Briefe nur quartalsmäßig erlaubt worden seien, werde er Beschwerde einlegen, die in diesem Verfahren nachgereicht werde. Soweit sein Sohn erklärt habe, keinen Umgang mit ihm haben zu wollen, sei das „sicherlich nicht sein eigener Entschluss“, sondern stark durch die Mutter beeinflusst. Kontakte zu seinem Sohn habe er wegen deren Verweigerungshaltung eigentlich erst gehabt, als er 9 Jahre alt gewesen sei, insgesamt habe dies etwa drei Jahre angedauert. Sein Sohn habe daran „sehr viel Freude“ gehabt. Man habe viel miteinander unternommen. Keineswegs sei er ihm gegenüber aggressiv gewesen, sondern im Gegenteil auf dessen Wünsche eingegangen. Offensichtlich habe der zuständige Richter „wenig Verständnis für selbstbewusste Väter“. Wenn er vor dem Familiengericht in seiner Enttäuschung „eben auch mal aufbrausend“ geworden sei, sei das angesichts der Verhinderungshaltung der Mutter „wohl absolut nachvollziehbar“. Auch der Verfahrensbeistand seines Sohnes habe ein negatives Urteil über ihn gefällt und sei ihm gegenüber nicht vorurteilsfrei aufgetreten. Wegen der aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art. 6 GG werde auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 2005 zu 2 BvR 1001/04 verwiesen.

Auch dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. In dem genannten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht u.a. ausgeführt, dass bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, unter Beachtung der grundsätzlichen Schutz- und Förderungswürdigkeit der Beziehungen jedes Elternteils und der in aller Regel bestehenden Dienlichkeit des persönlichen Kontakts auch bei Getrenntleben für das Wohl des Kindes und seine Persönlichkeitsentwicklung, maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen ist, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dass dies vorliegend bei der Entscheidung über die Versagung eines weiteren Aufenthaltsrechts für den Antragsteller nicht angemessen berücksichtigt worden ist, wird weder hinreichend dargelegt noch ist das ansonsten ersichtlich.

Der Antragsgegner hat in seinem Bescheid vom 30. Januar 2013 die umgangsrechtliche Vorgeschichte des Antragstellers zu seinem Sohn im Einzelnen untersucht und dargelegt. Hierbei hat er schließlich auch auf den - in Kopie in der Ausländerakte des Antragstellers abgehefteten - Beschluss des Familiengerichts vom 22. Februar 2012 verwiesen, durch den ein Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen wurde, weil der beantragte Umgang mit seinem damals dreizehnjährigen Sohn nach den durchgeführten Ermittlungen dem Kindeswohl widerspreche. Danach weise er nicht die notwendige Fähigkeit zu Empathie und Einfühlungsvermögen für den Umgang mit ihm auf, gehe auf dessen Bedürfnisse nicht ein und zeige keinerlei Einsichtsfähigkeit, d.h. er setze sich mit anderen Positionen nicht kritisch auseinander, sondern werde dann laut und aggressiv. Hinzu komme, dass sein Sohn den Umgang mit ihm „mittlerweile nachhaltig, selbstbewusst und mit unabhängigem Willen ablehnt“. Soweit der familiengerichtliche Beschluss diesbezüglich auf einen - ebenfalls als Kopie in der Ausländerakte des Antragstellers befindlichen - Vermerk über die Kindesanhörung vom 20. Februar 2012 verweist, bestehen an der Richtigkeit dieser Ausführungen keine Zweifel. Hiernach ist seitens des Sohnes des Antragstellers detailliert und überzeugend dargelegt worden, dass und aufgrund welcher Erfahrungen er den weiteren Kontakt zu seinem Vater ablehne. Insbesondere glaube er auch nicht, dass sein Vater „wahres Interesse an ihm habe“. So rufe dieser nie bei ihm an und habe „meistens nur Filme mit ihm geguckt“. Er könne sich nur an zwei Kontakte mit ihm erinnern, die Spaß gemacht hätten. Soweit der Antragsteller mit der Beschwerde geltend macht, die Aussagen des Sohnes seien unglaubhaft, tatsächlich habe es „unzählige Treffen, bei denen das Kind sehr glücklich war“, gegeben, besteht zu anderer Einschätzung dieser Angaben des Sohnes keine Veranlassung. Allenfalls mag das dem Eindruck des Antragstellers entsprochen haben bzw. seiner Erinnerung, letztlich beurteilen kann das der Betroffene, d.h. sein Sohn, nur selbst. Für eine unrichtige Darstellung durch ihn gibt es keinen Anhaltspunkt.

Der Antragsgegner hat ferner auch auf den Beschluss des Familiengerichts im Hauptsacheverfahren vom 16. Januar 2013 Bezug genommen, wonach der Umgang des Antragstellers zu seinem Sohn bis zum 31. Dezember 2014 ausgeschlossen und nur quartalsweise brieflicher Kontakt erlaubt sei. Dieser beruhte nach eigenen Angaben des Antragstellers auf Anhörungen der Beteiligten und auch des Sohnes am 6. und 19. November 2012. Mag dieser Beschluss auch nicht vorliegen und damit seine genaue Begründung nicht bekannt sein, ist angesichts des vom Familiengericht mitgeteilten - und auch unstreitigen - Tenors davon auszugehen, dass das Gericht - und zwar nach nochmaliger Anhörung des inzwischen knapp vierzehn Jahre alten und damit zu einer selbständigen Entscheidung über die Kontakte zu seinem getrennt lebenden Vater befähigten Sohnes - auch im Hauptsacheverfahren zum gleichen Ergebnis gekommen ist wie bereits im Beschluss vom 22. Februar 2012, dass der erzwungene Umgang mit dem Antragsteller dem Kindeswohl widerspreche.

Dass der neue Beschluss des Familiengerichts nicht rechtskräftig sein soll und der Antragsteller geltend macht, er werde hiergegen Beschwerde einlegen, rechtfertigt nach alledem keine andere Beurteilung, zumal auch die dortige Beschwerdebegründung bisher nicht, wie angekündigt, nachgereicht worden ist. Angebliche Unstimmigkeiten und Unrichtigkeiten dieses Beschlusses sind, soweit sie mit der Beschwerde überhaupt konkret benannt und nicht lediglich mit etwas oder recht „unglücklich“ verlaufenen Terminen erklärt oder entschuldigt werden, nach den obigen Darlegungen nicht festzustellen. Auch für die eidesstattliche Versicherung gilt im Kern nichts anderes, zumal der Antragsteller auch dort nahezu durchgängig die Schuld am fehlenden Kontakt zu seinem Sohn allein bei der Mutter sucht, ohne eigenes (Fehl-)Verhalten und einen eigenen ernsthaften Willen seines Sohnes, keinen Kontakt mehr zu ihm haben zu wollen, sowie dessen Bedürfnisse und Wünsche überhaupt ernsthaft in Betracht zu ziehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).