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Verordnungsausschluss für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel - OTC-Übersicht - COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf - Soledum Kapseln (Wirkstoff Cineol) - Schwerwiegende Erkrankung (bejaht) - Therapiestandard (verneint)


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 7. Senat Entscheidungsdatum 15.05.2013
Aktenzeichen L 7 KA 3/10 KL ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 34 Abs 1 S 2 SGB 5

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Aufnahme des Arzneimittels Soledum® Kapseln in die Anlage I (sog. OTC-Übersicht) der vom Beklagten erlassenen Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL).

Die Klägerin, die zur Klosterfrau Healthcare Group gehört, ist ein mittelständisches pharmazeutisches Unternehmen, das vorwiegend nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, vor allem zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten, erforscht, entwickelt, herstellt und vertreibt. Dazu gehören auch Soledum® Kapseln, für die die Klägerin die arzneimittelrechtliche Zulassung besitzt.

Das Arzneimittel Soledum® Kapseln 100 mg (magensaftresistente Weichkapseln, Monosubstanzpräparat mit dem Wirkstoff Cineol, gewonnen aus den Blättern des Eukalyptusbaumes) verfügt seit dem Jahr 1999 über eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Anwendungsgebiet „Zur Behandlung der Symptome bei Bronchitis und Erkältungskrankheiten der Atemwege. Zur Zusatzbehandlung bei chronischen und entzündlichen Erkrankungen der Atemwege (z.B. der Nasennebenhöhlen)“ (Fachinformation mit Stand vom Mai 2009). Soledum@ Kapseln 100 mg sind apotheken-, aber nicht verschreibungspflichtig („OTC-Präparat“, over the counter = über den Tresen verkäuflich).

OTC-Präparate wurden durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) mit Wirkung vom 1. Januar 2004 grundsätzlich von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen. Die Verordnung dieser Arzneimittel ist nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V nur ausnahmsweise zulässig, wenn die Arzneimittel „bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten“. In der Anlage I zur AM-RL legt der Beklagte fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten und mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können.

Schon mit Schreiben vom 13. November 2003 beantragte die Klägerin unter Beifügung eines Kurzgutachtens des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (sinngemäß) die Aufnahme von Soledum® Kapseln in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie für die Indikation „akute, chronische und entzündliche Erkrankungen der Atemwege wie akute und chronische Bronchitis, Sinusitis“. Der Antrag blieb zunächst unbeschieden. Mit Schreiben vom 28. November 2006 wiederholte die Klägerin den Antrag.

Mit Beschluss vom 15. Februar 2007 (schriftlicher Bescheid vom 26. Februar 2007) lehnte der Beklagte den Antrag auf Aufnahme von Soledum® Kapseln in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie ab. Es handele sich bei der angegebenen Indikation um keine schwerwiegende Erkrankung im Sinne des Gesetzes. Ob Soledum® Kapseln insoweit Therapiestandard seien, könne dahinstehen.

Der Bescheid vom 26. Februar 2007 enthielt als Rechtsbehelfsbelehrung einen Hinweis auf die Klagemöglichkeit. Am 23. März 2007 erhob die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Berlin (S 83 KA 207/07), mit der sie ihr Begehren weiter verfolgte. Am 9. September 2009 beendeten die Beteiligten diesen Rechtsstreit durch einen Vergleich, in dem der Beklagte sich verpflichtete, über den Widerspruch der Klägerin, der zugleich in der Klageerhebung liege, zu entscheiden; die Klägerin stellte in dem Vergleich klar, dass die Aufnahme von Soledum® Kapseln in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie für die Indikation „Cineol als Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf“ begehrt werde.

In seiner Sitzung vom 17. Dezember 2009 (Widerspruchsbescheid vom selben Tage) beschloss der Beklagte die Zurückweisung des Widerspruchs der Klägerin gegen den Bescheid vom 26. Februar 2007. Soledum® Kapseln seien nicht für die begehrte Indikation „als Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf“ zugelassen. Als Beispiel führe die Fachinformation nur die Rhinosinusitis auf. Deren beherrschende Symptome entsprächen aber nur denen einer Erkältungskrankheit. Es könne dahin stehen, ob es sich bei der chronisch obstruktiven Bronchitis (COPD) und beim Asthma um schwerwiegende Erkrankungen handele; beide Erkrankungen umfassten leichtere und schwerer wiegende Verlaufsformen. Denn jedenfalls gelte Cineol nicht als Therapiestandard zur Behandlung dieser Erkrankungen. So nenne etwa die einschlägige Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie Cineol nicht als Standardtherapeutikum zur Behandlung chronisch persistierenden Hustens. Cineol wirke zwar schleimlösend, diese Wirkweise sei aber für die Therapie der COPD nicht relevant. Es fehle an tragfähigen wissenschaftlichen Studien über den Nutzen von Soledum® Kapseln zur Behandlung der COPD. Ein Konsens über den Nutzen von Cineol bei Behandlung der COPD oder der chronischen Bronchitis bestehe nicht. So heiße es etwa in der COPD-Leitlinie lediglich, dass u.a. Cineol zur besseren Sekretelimination hilfreich sein könne („Evidenzgrad D“). In den Leitlinien würden dagegen Bronchiodilatoren und inhalative Glukokortikoide als Basismedikation genannt. Die von der Klägerin eingereichten Studien seien minderer Qualität und belegten keinen Therapiestandard; insbesondere eine Verbesserung der Lungenfunktion, eine Reduktion der Dyspnoe und eine Verbesserung der Lebensqualität durch die Einnahme von Cineol seien nicht belegt.

Mit der am 18. Januar 2010 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und bringt im Wesentlichen vor: Zu Unrecht meine der Beklagte, die Indikation „COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf“ sei nicht vom Zulassungsbereich von Soledum® Kapseln gedeckt, denn sowohl COPD als auch Asthma seien chronische und entzündliche Erkrankungen der Atemwege im Sinne der bestehenden Arzneimittelzulassung; hiervon umfasst seien schwerwiegende Verlaufsformen. Ohne Zweifel seien sowohl COPD als auch Asthma jedenfalls in ihren schwerwiegenden Verlaufsformen „schwerwiegende Erkrankungen“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Auch seien Soledum® Kapseln insoweit Therapiestandard. Unschädlich sei die fehlende Erwähnung des Wirkstoffs Cineol in den jeweiligen Leitlinien. Für Soledum® Kapseln gebe es eine über 30-jährige Anwendungserfahrung. Auch gebe es über randomisierte Doppelblind-Studien gesicherte Erkenntnisse zum therapeutischen Nutzen des Arzneimittels. Zu Unrecht habe der Beklagte den Einsatz von Cineol auf die Behandlung von Husten reduziert. Streitentscheidend sei nämlich nicht die sekretolytische, sondern die entzündungshemmende Wirkung von Cineol. Die Leitlinien ließen diese Wirkung fälschlich unberücksichtigt. Sie sei aber entscheidend, da es sich gerade bei der COPD um eine entzündliche Erkrankung handele. Bei der Asthma-Behandlung führe die zusätzliche Einnahme von Soledum® Kapseln zu einer Reduktion der täglichen Bedarfs an Glukokortikosteroiden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2009 aufzuheben und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, das Arzneimittel Soledum® Kapseln (Wirkstoff: Cineol) als Standardtherapeutikum zur Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf in die Anlage I der Arzneimittelrichtlinie aufzunehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt im Wesentlichen aus: Die Zulassung des Arzneimittels Soledum® Kapseln stimme nicht überein mit der Indikation, für die die Klägerin die Aufnahme in die OTC-Übersicht begehre. Der Zulassungsbereich erstrecke sich nämlich auf Erkältungskrankheiten allgemein; hiermit seien „COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf“ nicht gleichsetzbar. Die Therapieziele bei Erkältungskrankheiten einerseits und COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf andererseits seien unterschiedlich. Im Rahmen der ATC-Klassifikation seien Soledum® Kapseln bei den Husten- und Erkältungspräparaten mit auswurffördender Wirkung (Expektorantien) eingeordnet. Auch in ihrer Werbung für Soledum® Kapseln betone die Klägerin (nur) den Zweck, der Manifestation einer Erkältung durch die sekretolytische Wirkung des Arzneimittels entgegen zu wirken. Dementsprechend hätten etwa bei den von der Klägerin angeführten Studien von Worth et al. (2009 und 2012) zum Nutzen der Behandlung von COPD- und Asthma-Patienten mit Cineol solche des Schweregrades IV (schwerwiegender Verlauf) gar nicht erst teilnehmen dürfen. Insgesamt könnten Soledum® Kapseln daher nicht als zugelassenes Präparat zur Behandlung von COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf (Schweregrad IV) angesehen werden. Jedenfalls gelte das Arzneimittel Soledum® Kapseln unter Berücksichtigung des anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, insbesondere in Relation zu anderen Therapieoptionen, weder als Standardtherapeutikum zur begleitenden Basismedikation des Asthmas noch zur Zusatzbehandlung der COPD. Symptom beider Erkrankungen sei persistierender Husten. Gegen diesen werde weit überwiegend nicht das Präparat der Klägerin eingesetzt, sondern Ambroxol und N-Acetylcystein. Über den therapeutischen Nutzen von Cineol zur Behandlung der chronischen Bronchitis und des chronisch persistierenden Hustens bestehe kein Konsens in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen. Zur Asthmabehandlung stünden entzündungshemmende Therapeutika im Vordergrund; Expektorantien seien zur Behandlung eines Asthmaanfalls sogar kontraindiziert. Therapiestandard für eine antientzündliche Therapie des Asthma bronchiale seien Kortikosteroide. Zur Behandlung der COPD in Bedarfs- bzw. Dauertherapie seien Beta-2-Sympathomimetika der Therapiestandard sowie Anticholinergika, Theophyllin und inhalative Glukokortikosteroide. Sofern Expektorantien zum Einsatz kämen, liege der Standard bei Acetylcystein, Ambroxol und Carbocistein. In den Nationalen Versorgungsleitlinie „COPD“ und „Asthma“ finde Cineol keine Erwähnung. Wie lange Soledum® Kapseln schon im Handel seien, sei für die Beurteilung des Therapiestandards ganz unerheblich.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

A. Für die Klage ist das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erstinstanzlich zuständig, § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn die Klägerin wendet sich gegen eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses in Zusammenhang mit einer Aufnahme eines von ihr hergestellten und vertriebenen Arzneimittels in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie.

Der Senat behandelt die Streitsache als eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts im Sinne der §§ 10 Abs. 2 Nr. 1, 31 Abs. 2 SGG (siehe auch Abschnitt B II 1 a [2] des „zusammenfassenden Standpunktes des 1., 3. und 6 Senats des Bundessozialgerichts zu § 10 Abs. 2 SGG“).

B. Die Klage ist zulässig (vgl. zu den Maßstäben insoweit: Urteil des Senats vom 24. Oktober 2012, L 7 KA 1/10 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 121 bis 29 [Buscopan]).

I. Sie ist statthaft als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage.

Der Anfechtung im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. SGG unterliegt der Bescheid des Beklagten vom 26. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2009. Durch diese Bescheide hat der Beklagte der Klägerin seine Beschlussfassungen in schriftlicher Form mit Verfügungssatz und Begründung bekannt gegeben. Das klägerische Begehren umfasst daher in einem ersten Schritt die Aufhebung dieser Bescheide, die den Antrag auf Aufnahme des Arzneimittels Soledum® Kapseln in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie ablehnen.

In einem weiteren Schritt ist die Klage darüber hinaus als Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) statthaft. Allein diese Klageart wird dem Umstand gerecht, dass die Klägerin von der Beklagten nicht die Vornahme eines Realakts oder den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt; diese Begehren zögen eine Leistungs- bzw. Verpflichtungsklage nach sich. Die Klägerin zielt mit der Aufnahme des Arzneimittels Soledum® Kapseln in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie vielmehr auf einen Akt der Normsetzung, denn bei den Regelungen der Arzneimittel-Richtlinie gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 6 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) und ihrer Anlagen handelt es sich um verbindliche untergesetzliche Normen (vgl. § 91 Abs. 6 SGB V; st. Rspr., siehe nur Bundessozialgericht, Urteil vom 20. März 1996, 6 RKa 62/94, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20; Urteil vom 3. Juli 2012, B 1 KR 23/11 R [Gepan Instill], zitiert nach juris, dort Rdnr. 26).

Mit der fachgerichtlichen Feststellungsklage kann aber nicht nur die Unwirksamkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm, sondern auch deren fehlerhafte Auslegung oder Anwendung sowie – hierauf zielt die vorliegende Klage – ein Anspruch auf deren Änderung oder Ergänzung geltend gemacht werden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2011, B 6 KA 29/10 R [Monapax], zitiert nach juris, dort Rdnr. 24). Diese Sichtweise geht zurück auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das die Notwendigkeit einer (der Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts vorgeschalteten) fachgerichtlichen Feststellungsklage gegen untergesetzliche Normen aus dem Gebot der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG ableitet (Beschluss vom 17. Januar 2006, 1 BvR 541/02, 1 BvR 542/02, zitiert nach juris, dort Rdnr. 41 ff.).

Dementsprechend kann die Klage nicht auf eine Verurteilung des Beklagten zur Aufnahme der Soledum® Kapseln in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie gerichtet sein, sondern nur darauf festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, das Arzneimittel Soledum® Kapseln (Wirkstoff: Cineol) als Standardtherapeutikum zur Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf in Anlage I der Arzneimittelrichtlinie gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V aufzunehmen. Für den Fall fehlender Spruchreife ist hierin als Minus das Begehren umfasst, gegebenenfalls festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, über den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

II. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig.

Die Klägerin ist klagebefugt, § 54 Abs. 2 SGG, und verfügt über ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, § 55 Abs. 1, 2. Halbs. SGG, denn es ist nicht schlechthin ausgeschlossen, dass die Ablehnung der Aufnahme des streitigen Arzneimittels in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie rechtswidrig ist bzw. dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Aufnahme erfüllt sind (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Der geltende Leistungsausschluss nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V berührt die Klägerin in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. Beck in jurisPK SGB V, Rdnr. 41 zu § 34).

Das für die Erhebung der Anfechtungsklage erforderliche Vorverfahren, § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG, ist durchgeführt; die einmonatige Klagefrist, § 87 SGG, ist gewahrt.

C. Die Klage ist jedoch unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat der Beklagte den Antrag der Klägerin abgelehnt, das Arzneimittel Soledum® Kapseln als Standardtherapeutikum zur Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie aufzunehmen.

I. Im Rahmen der auf Ergänzung einer Norm gerichteten Feststellungsklage hat der Senat grundsätzlich einen engen Prüfungsmaßstab anzulegen und Zurückhaltung zu üben gegenüber der Normsetzungskompetenz des Beklagten. Andererseits ist der Maßstab für eine Überprüfung administrativer Normsetzung strenger als bei derjenigen von Parlamentsgesetzen durch die Verfassungsgerichtsbarkeit; die Zurückhaltung etwa des Bundesverfassungsgerichts gegenüber dem parlamentarischen Gesetzgeber muss eine andere sein als diejenige der Fachgerichtsbarkeit bei der Kontrolle von Rechtsnormen der Verwaltung. Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Richtlinien des Beklagten sind damit gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm – etwa einer Rechtsverordnung – selbst erlassen hätte (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 3. Juli 2012, B 1 KR 23/11 R [Gepan Instill], zitiert nach juris, dort Rdnr. 26; Urteil vom 6. März 2012, B 1 KR 24/10 R [Linola], zitiert nach juris, dort Rdnr. 22; Urteil vom 1. März 2011, B 1 KR 7/10 R [sortis], zitiert nach juris, dort Rdnr. 26; Gerhardt/ Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rdnr. 140 zu § 47).

Hiervon ausgehend ist die vom Beklagten bewirkte Normsetzung (bzw. die Ablehnung einer Normergänzung) darauf zu überprüfen, ob sich die untergesetzliche Norm auf eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage stützen kann (unten II.), ob die spezifischen Verfahrens- und Formvorschriften eingehalten sind (unten III.), ob die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsnorm erfüllt sind (unten IV.) und ob die Grenzen eines gegebenenfalls bestehenden und zu respektierenden Gestaltungsspielraums – etwa in Bezug auf höherrangiges Recht – eingehalten sind (unten V.; vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 31. Mai 2006, B 6 KA 13/05 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 68; Urteil vom 3. Juli 2012, B 1 KR 23/11 R [Gepan Instill], zitiert nach juris, dort Rdnr. 33; so auch schon der Senat im Urteil vom 24. Oktober 2012, L 7 KA 1/10 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 32 [Buscopan]).

II. 1. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V (i.d.F. des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190, in Kraft getreten am 1. Januar 2004)sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (im Folgenden: der Beklagte) legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V (Arzneimittel-Richtlinien) erstmals bis zum 31. März 2004 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die Regelung gilt nicht für versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und für versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen (§ 34 Abs. 1 Satz 5 SGB V).

2. Der so geregelte grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (vgl. hierzu und zum Folgenden m.w.N. zur höchstrichterlichen Rechtsprechung: Bundessozialgericht, Urteil vom 6. November 2008, B 1 KR 6/08 R [Gelomyrtol forte], zitiert nach juris, dort Rdnr. 11ff.). Das Gewicht der Ungleichbehandlung ist nämlich beschränkt. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel bereits vor dem 1. Januar 2004 in den Apotheken zum überwiegenden Anteil ohne Rezept abgegeben wurden. Es handelte sich dabei um Arzneimittel im unteren Preisbereich von durchschnittlich weniger als 11 Euro je Packung. Der Gesetzgeber hat deshalb die Herausnahme dieser Arzneimittel aus der Leistungspflicht der GKV für den einzelnen Versicherten als sozial vertretbar angesehen (so die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 15/1525 S. 86, li. Sp. zu Nummer 22).

Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV beruht im Übrigen auch auf sachlichen Gründen. Die Regelungen über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (§ 48 Arzneimittelgesetz i.V.m. § 1 Arzneimittelverschreibungsverordnung) dienen dem Schutz der Bevölkerung. Sie sollen sicherstellen, dass Arzneimittel, die gesundheitliche Risiken in sich bergen, nur über diejenigen Heilpersonen zur Anwendung kommen, die ihre Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Gegenanzeigen und sonstigen Gefahren genau kennen. In der Zusammenschau sind die Möglichkeit, sich ohne ärztliche Verschreibung die Arzneimittel selbst zu verschaffen, der typischerweise geringere Preis und damit die Zumutbarkeit, die entsprechenden Kosten selbst zu tragen, hinreichende sachliche Anknüpfungspunkte für die Entscheidung des Gesetzgebers. Die GKV beruht zwar auf dem Grundkonzept, dass die Versicherten bei Eintritt von Krankheit unabhängig von der Höhe ihrer Beiträge eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung erhalten. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn die GKV den Versicherten Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung des Versicherten zugerechnet werden. Dabei darf der Leistungskatalog der GKV auch von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht. Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist.

3. Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Beklagten beauftragt hat, in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V festzulegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können (hierzu Bundessozialgericht a.a.O., Rdnr. 19). Es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung dieser Methoden zu Lasten der GKV auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen. Nichts anderes gilt für die Abgrenzung des Pharmakotherapiestandards für schwerwiegende Erkrankungen durch die Arzneimittel-Richtlinie.

III. Bei Ablehnung des Antrags der Klägerin, Soledum® Kapseln in die Anlage I zur Arzneimittel-Richtlinie aufzunehmen, sind dem Beklagten keine relevanten Verfahrensfehler unterlaufen; Gegenteiliges wird auch von der Klägerin nicht behauptet.

IV. Die in § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V genannten notwendigen und der vollständigen Überprüfung durch den Senat unterliegenden (dazu unten 1.) tatbestandlichen Voraussetzungen für die Aufnahme eines nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie liegen nicht vor. Bei dem von der Klägerin angeführten Anwendungsgebiet „zur Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf“ handelt es sich um „schwerwiegende Erkrankungen“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V, zu deren Behandlung Soledum® Kapseln auch zugelassen sind (unten 2.); Soledum® Kapseln können insoweit aber nicht als „Therapiestandard“ gelten (unten 3.).

1. Die in § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V für die Aufnahme eines nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels in die Anlage I zur Arzneimittel-Richtlinie normierten Tatbestandsvoraussetzungen (Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung, Therapiestandard) sind vom Senat vollständig überprüfbar; der Gesetzgeber belässt dem Beklagten bei der Entscheidung über diese Voraussetzungen keinen Gestaltungsspielraum (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 6. März 2012, B 1 KR 24/10 R [Linola], zitiert nach juris, dort Rdnr. 24). Art. 19 Abs. 4 GG erlaubt und gebietet zugleich eine vollständige gerichtliche Überprüfung, denn das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist ohne Weiteres einer sachgerechten Überprüfung auch durch ein Gericht zugänglich.

2. Die Klägerin hat die Aufnahme der Soledum® Kapseln in die Anlage I der Arzneimittel-Richtlinie beantragt für das Anwendungsgebiet „zur Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf“. Dieses Anwendungsgebiet ist von der arzneimittelrechtlichen Zulassung umfasst (unten a) und bezeichnet „schwerwiegende Erkrankungen“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V (unten b).

a) Kein Zweifel besteht daran, dass eine Aufnahme in die Anlage 1 der AM-RL nur in Bezug auf Indikationen beantragt werden kann, auf die sich die arzneimittelrechtliche Zulassung des betreffenden Arzneimittels auch bezieht.

Das Arzneimittel Soledum® Kapseln 100 mg verfügt über eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Anwendungsgebiet „Zur Behandlung der Symptome bei Bronchitis und Erkältungskrankheiten der Atemwege. Zur Zusatzbehandlung bei chronischen und entzündlichen Erkrankungen der Atemwege (z.B. der Nasennebenhöhlen)“.

Zur Überzeugung des Senats ist das im Antrag benannte Einsatzgebiet „zur Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf“ von dieser Zulassung umfasst. In der ärztlichen Verordnung von Soledum® Kapseln zur (Zusatz-)Behandlung der so bezeichneten Erkrankungen läge kein Off-Label-Use. Denn es handelt sich, wie die Klägerin zutreffend betont hat, auch bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf um „entzündliche Erkrankungen der Atemwege“. Hieran kann kein Zweifel bestehen. Das klägerische Begehren umfasst somit einen Teil der Indikationen, auf die sich die arzneimittelrechtliche Zulassung bezieht, nämlich im Wesentlichen schwerwiegende Verlaufsformen und COPD und Asthma.

b) In der beantragten Indikation „zur Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf“ sieht der Senat auch eine „schwerwiegende Erkrankung“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Neben der schon sprachlichen Übereinstimmung von Gesetzestext und gewählter Indikation im Adjektiv „schwerwiegend“ ergibt sich dies aus der gebotenen Auslegung des Begriffs „schwerwiegende Erkrankung“ (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 24. Oktober 2012, L 7 KA 1/10 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 46 ff. [Buscopan]).

aa) In § 12 Abs. 3 der Arzneimittel-Richtlinie und in § 33 Abs. 1 Satz 1 des 4. Kapitels seiner Verfahrensordnung beschreibt der Beklagte eine Erkrankung als „schwerwiegend“, „wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt“.

Diese Begriffsbestimmung hält der Senat für sachgerecht. Auch in der Kommentarliteratur ist die Herangehensweise des Beklagten an den Begriff der „schwerwiegenden Erkrankung“ nicht kritisiert worden (vgl. Beck in jurisPK SGB V, Rdnr. 15 zu § 34; Gerlach in Hauck/Haines, SGB V, Rdnr. 15 zu § 34; Kraftberger in LPK-SGB V, Rdnr. 4 zu § 34). Sie orientiert sich in nicht zu beanstandender Weise an der vom Bundessozialgericht entwickelten Begrifflichkeit zur Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln außerhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung (Off-Label-Use). In beiden Fällen geht es um die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der GKV in Ausnahmefällen.

Ein Off-Label-Use kommt nach ständiger Rechtsprechung des 1. Senats des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19. März 2002, B 1 KR 37/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26; zuletzt Urteil vom 8. November 2011, B 1 KR 19/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 16) nur in Betracht, wenn es (1.) um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn (2.) keine andere Therapie verfügbar ist und wenn (3.) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.

Es ist nicht ersichtlich, warum der Begriff „schwerwiegend“ in § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V wertungsmäßig anders verstanden werden sollte als in der ständigen Rechtsprechung zum Off-Label-Use, nämlich als lebensbedrohliche oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung. Erst recht gilt diese parallele Geltung bzw. Auslegung desselben unbestimmten Rechtsbegriffs angesichts der mit dem GKV-WSG vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) mit Wirkung vom 1. April 2007 eingeführten Neuregelung in § 35c Abs. 2 Satz 1 SGB V. Dort hat der Gesetzgeber den vom Bundessozialgericht entwickelten Begriff der „schwerwiegenden Erkrankung“ für die „Off-Label-Versorgung“ von Versicherten übernommen, so dass in § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V und in § 35c Abs. 2 Satz 1 SGB V nunmehr derselbe und identisch auszulegende Begriff zu finden ist; der Gesetzgeber hat diesen rechtstechnisch eingeführten Begriff gewählt, um die Erheblichkeitsschwelle der betroffenen Krankheiten für den Gemeinsamen Bundesausschuss zu umreißen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 6. März 2012, B 1 KR 24/10 R [Linola], zitiert nach juris, dort Rdnr. 26).

Gleichzeitig ist zu beachten, dass „schwerwiegend“ nicht zu einengend im Sinne ausschließlich „schwerster“ notstandsähnlicher Erkrankungen verstanden werden darf. So hat der 1. Senat des Bundessozialgerichts in seiner bereits zitierten Entscheidung vom 8. November 2011 (B 1 KR 19/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 23) ausgeführt, dass der Grad der „schwerwiegenden Erkrankung“ im Sinne der herkömmlichen Rechtsprechung zur Statthaftigkeit des Off-Label-Use nicht übereinstimmt mit der Leidensschwelle, die erreicht sein muss, um das Leistungsrecht der GKV im Sinne der „Nikolaus“-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 6. Dezember 2005, 1 BvR 347/98) grundrechtskonform erweiternd auszulegen. Das Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer „lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung“ in der Bewertung vergleichbar ist, umschreibt nämlich eine strengere Voraussetzung, als sie mit dem Erfordernis einer „schwerwiegenden Erkrankung“ für die Eröffnung des Off-Label-Use formuliert ist.

Der Senat geht bei alledem davon aus, dass nicht schon jegliches Leiden „die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt“; vielmehr hat das Bundessozialgericht, das die vom Gesetzgeber übernommene Begrifflichkeit entwickelt hat, die Anforderungen im Rahmen des Off-Label-Use bewusst eng formuliert. Denn auch bei diesem geht es – wie im vorliegenden Zusammenhang – um eine Ausnahmesituation (vgl. Flint in Hauck/Haines, SGB V, Rdnr. 25 zu § 35c), die verlangt, dass eine Anwendung des Arzneimittels nur bei einer solchen Erkrankung in Betracht kommt, die sich durch ihre Schwere oder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 26. September 2006, B 1 KR 1/06 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18).

Als Indikator für die Beurteilung einer solchen Erkrankung (schwerwiegend und sich aufgrund ihrer Schwere vom Durchschnitt sonstiger Erkrankungen abhebend) kann auf die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Off-Label-use zurückgegriffen werden. Das Bundessozialgericht hat eine „schwerwiegende Erkrankung“ u.a. bei folgenden Erkrankungen bejaht:

·Schwere Verlaufsform der Neurodermitis (Urteil vom 6. März 2012, B 1 KR 24/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26),
·fortgeschrittene Bronchialkarzinome und Tumore der Thoraxorgane (Urteil vom 13. Oktober 2010, B 6 KA 48/09 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17),
·metastasierendes Karzinom der Eileiter (Urteil vom 5. Mai 2010, B 6 KA 6/09 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 47),
·sekundäre pulmonale Hypertonie bei CREST-Syndrom im Stadium IV (Urteil vom 26. September 2006, B 1 KR 1/06 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18),
·Restless-Legs-Syndrom mit massiven Schlafstörungen und daraus resultierenden erheblichen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen (Urteil vom 26. September 2006, B 1 KR 14/06 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11, 18),
·Myoadenylate-Deaminase-Mangel mit belastungsabhängigen, muskelkaterähnlichen Schmerzen, schmerzhaften Muskelversteifungen und (sehr selten) Untergang von Muskelgewebe (Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 12/04 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 31), Multiple Sklerose (Urteil vom 19. März 2002, B 1 KR 37/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 28).

bb) Hieran gemessen sind entzündliche Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf Erkrankungen, die die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigen. Auch der Beklagte bestreitet dies nicht; entscheidend ist insoweit die von der Klägerin gewählte Einengung auf schwerwiegende Verlaufsformen.

Bei der COPD handelt es sich um eine fortschreitende Lungenerkrankung, die mit einer Verengung (Obstruktion) der Atemwege einhergeht. Daraus resultieren Symptome wie Atemnot, Husten und Auswurf, wobei die Intensität der Beschwerden vom jeweiligen COPD-Stadium abhängig ist. Mit Fortschreiten der Krankheit nimmt die Belastbarkeit des Patienten stetig ab. Der Verlauf der COPD ist gekennzeichnet durch eine progrediente Verschlechterung der Lungenfunktion und eine zunehmende Beeinträchtigung des Befindens, der Leistungsfähigkeit und der Lebensqualität. Die COPD wird in die Schweregrade I bis IV eingeteilt; die Zuordnung zu einem Schweregrad orientiert sich an der Luftmenge, die der Patient mit aller Kraft und möglichst schnell innerhalb einer Sekunde ausatmen kann (FEV1-Wert = forciertes expiratorisches Volumen in einer Sekunde; Quelle: Nationale VersorgungsLeitlinie COPD, Langfassung, Version 11, Februar 2006, zuletzt geändert Februar 2013, Seiten 17, 38, abrufbar unter http://www.versorgungsleitlinien.de):

·Leichtgradige COPD, Schweregrad I: leichte Atemwegsobstruktion, FEV1-Wert > 80 % Soll; in der Regel chronischer Husten und/oder Auswurf; Atemnot wird häufig noch nicht bemerkt; die Einschränkung der Lungenfunktion ist dem Patienten nicht immer bewusst.
·Mittelgradige COPD, Schweregrad II: Zunahme der Atemwegsobstruktion, FEV1-Werte zwischen 50 % und weniger als 80 % des Sollwertes, kann einhergehen mit einer Progression der Symptomatik (Husten, Auswurf, Atemnot bei Belastung).
·Schwere COPD, Schweregrad III: ausgeprägte Atemwegsobstruktion, FEV1-Werte zwischen 30 % und < 50 % des Sollwertes.
·Sehr schwere COPD, Schweregrad IV: ausgeprägte Atemwegsobstruktion, FEV1-Werte < 30 % des Sollwertes.

Zur Überzeugung des Senats beeinträchtigt die COPD der Schweregrade III und IV die Lebensqualität auf Dauer und nachhaltig, denn die körperliche Belastbarkeit ist erheblich herabgesetzt.

Dasselbe gilt für Asthma mit schwerwiegendem Verlauf. Asthma ist eine chronisch entzündliche Erkrankung der Atemwege, charakterisiert durch eine bronchiale Hyperreagibilität und eine variable Atemwegsobstruktion. Ein Asthma kann unterschiedliche Symptome verursachen, von geringgradigem Beklemmungsgefühl („Brustenge“) oder Husten mit meist zähem Auswurf bis zur schwergradigen Atemnot. Anders als bei der COPD existiert keine formalisierte Schweregradeinteilung (Quelle: Nationale VersorgungsLeitlinie Asthma, Langfassung, Version 1.3, Juli 2011, S. 20, 26, abrufbar unter http://www.versorgungsleitlinien.de). Es besteht kein Zweifel, dass Asthma mit schwerwiegendem Verlauf ebenso wie die schwere COPD die Lebensqualität auf Dauer und nachhaltig beeinträchtigt.

Auch der aus der oben aufgeführten Kasuistik des Bundessozialgerichts sprechende Schweregrad ist von COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf offensichtlich erreicht. Die Lebensqualität ist bei diesen Erkrankungen in ihrer jeweils schwerwiegenden Verlaufsform ebenso nachhaltig und auf Dauer beeinträchtigt wie etwa bei der schweren Verlaufsform der Neurodermitis (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 6. März 2012, B 1 KR 24/10 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26).

3. Soledum® Kapseln können allerdings nicht als „Therapiestandard“ für die Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf gelten.

a) Der Begriff des Therapiestandards“ ist wie folgt zu verstehen:

aa) Nach § 12 Abs. 4 AM-RL bzw. dem 4. Kapitel, § 34 Abs. 1 Satz 1 VerfO gilt ein Arzneimittel als Therapiestandard, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (vgl. zur Tragfähigkeit dieses Ansatzes Bundessozialgericht, Urteil vom 6. März 2012, B 1 KR 24/10 R [Linola], zitiert nach juris, dort Rdnr. 29). Nach dem 4. Kapitel, § 34 Abs. 1 Satz 2 VerfO ist auf der Basis systematischer Literaturrecherchen nachzuweisen, dass ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens in den einschlägigen Fachkreisen über den Nutzen des nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittels zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung bestehe; vorrangig seien klinische Studien, insbesondere direkt vergleichende mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen. Den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ermittelt der Beklagte auf der Grundlage der evidenzbasiertem Medizin (1. Kapitel § 5 Abs. 2 VerfO). Die Bewertung des (therapeutischen) Nutzens eines Arzneimittels nimmt der Beklagte auf der Grundlage von Unterlagen entweder zum Ausmaß des therapeutischen Nutzens des Arzneimittels bei einer bestimmten Indikation oder durch Vergleich mit anderen Arzneimitteln oder Behandlungsformen unter Berücksichtigung des therapeutischen Zusatznutzens für die Patientinnen oder Patienten vor. Maßgeblich für die Beurteilung des (therapeutischen) Nutzens ist dabei das Ausmaß der Beeinflussung patientenrelevanter Endpunkte, insbesondere Morbidität, Mortalität und Lebensqualität (4. Kapitel § 6 Absätze 1 und 2 VerfO). Allein diese Vorschriften bestimmen, anhand welcher Erkenntnisquellen der Beklagte über die Frage des Therapiestandards zu entscheiden hat.

Diese Begriffsbestimmung wird von der Klägerin nicht angegriffen und erscheint auch sonst in jeder Hinsicht sachgerecht; Konsens über den Nutzen eines Arzneimittels macht es zum Therapiestandard bei der Behandlung einer bestimmten Erkrankung.

bb) Eher enger fordert die Gesetzesbegründung die Aufnahme solcher Fertigarzneimittel in die OTC-Liste, die „unverzichtbare Standardwirkstoffe“ für die Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung enthalten (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen zum GKV-Modernisierungsgesetz, BT-Drucks. 15/1525, S. 86). Das entspricht auch dem Sinn der Regelung des § 34 Abs. 1 SGB V, gerade nicht schon jede indikationsgerechte, nach allgemeinen Grundsätzen verordnungsfähige Pharmakotherapie („Therapieoption“) in die OTC-Übersicht aufzunehmen, weil damit die einschränkende Wirkung der Regelung weitgehend obsolet zu werden droht (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 6. März 2012, B 1 KR 24/10 R [Linola], zitiert nach juris, dort Rdnr. 30) .

b) Hieran gemessen hat der Beklagte Soledum® Kapseln zu Recht nicht als „Therapiestandard“ für die Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf angesehen.

aa) Nicht zu beanstanden ist es zunächst, dass der Beklagte sich für die Beurteilung des Therapiestandards bei Behandlung der COPD und des Asthma in einem ersten Schritt an den schon genannten Nationalen VersorgungsLeitlinien der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften orientiert hat.

Ärztliche Leitlinien medizinischer Fachgesellschaften sind in besonderem Maße geeignet, medizinischen Standard zu definieren (vgl. nur Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2002, B 1 KR 16/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 23; Urteil vom 13. November 1997, 3 RK 6/96, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18). Das gilt in noch verstärktem Maße für die „Nationalen VersorgungsLeitlinien“, die auf breitestmöglicher Trägerschaft beruhen.

Zu Recht hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass der Wirkstoff Cineol bzw. das Fertigarzneimittel Soledum® Kapseln in den Nationalen VersorgungsLeitlinien für COPD und Asthma jeweils keine Erwähnung finden, nicht einmal als bloße Therapieoption. Der Senat sieht hierin ein gravierendes Indiz dafür, dass Cineol bzw. Soledum® Kapseln nicht zum Therapiestandard im oben definierten Sinne für die Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf gehören. Dasselbe lässt sich auch aus der 11. Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung (11. RSA-ÄndV, BGBl. I, 3722 ff.) entnehmen. Auch dort findet Cineol in den Anforderungen an strukturierte Behandlungsprogramme für Patientinnen und Patienten mit chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen im Rahmen der medikamentösen Maßnahmen weder als Dauer- noch als Bedarfstherapie des Asthma bronchiale oder des COPD eine Erwähnung. Soweit nämlich zur Behandlung des COPD im Rahmen der medikamentösen Bedarfstherapie „in begründeten Fällen“ mukoaktive Substanzen genannt sind, werden diese ohne Berücksichtigung von Cineol ausschließlich durch die Wirkstoffe Acetylcystein, Ambroxol und Carbocistein definiert.

Der medikamentöse Therapiestandard lässt auf Grundlage der jeweiligen Nationalen VersorgungsLeitlinien und der 11. RSA-ÄndV vielmehr wie folgt umschreiben:

·Schwere und sehr schwere COPD: Raschwirksame inhalative Bronchodilatoren (Beta-2-Sympathomimetika und/oder Anticholinergika; Medikament der dritten Wahl ist Theophyllin) bei Bedarf; ein oder mehrere langwirksame inhalative Bronchodilatoren als Dauertherapie (einzeln oder in Kombination); inhalative Corticosteroide (bei wiederholten Exazerbationen, Therapieeffekt vorausgesetzt); zusätzlich bei sehr schwerer COPD: ergänzende Maßnahmen (Langzeit Sauerstoff-Therapie, chirurgische Therapie) erwägen (Seiten 18, 19 der Nationalen VersorgungsLeitlinie COPD).
·Asthma: Als Bedarfsmedikamente vor allem inhalative raschwirksame Beta-2-Sympathomimetika; als Langzeittherapeutika vor allem (auch als Kombinationspräparat) inhalative Corticosteroide und inhalative langwirkende Beta-2-Sympathomimetika sowie als Leukotrienrezeptorenantagonist Montelukast (Seite 29 der Nationalen VersorgungsLeitlinie Asthma).

bb) Nichts anderes ergibt sich in Würdigung der von der Klägerin vorgelegten wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Sie deuten darauf hin, dass Cineol bzw. Soledum® Kapseln eine Therapieoption als Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen wie COPD und Asthma mit schwerwiegendem Verlauf sein können; der Grad des Therapiestandards lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. Der Senat folgt insoweit den schlüssigen Bewertungen des Beklagten (u.a. im Widerspruchsbescheid und in den Schriftsätzen vom 13. April 2011 und 5. März 2013), die sich beanstandungsfrei an den Grundsätzen der evidenzbasiertem Medizin orientieren. Hervorzuheben ist dabei die Auseinandersetzung mit folgendem von der Klägerin eingeführten Studienmaterial:

·Staud et al. (2000, unveröffentlicht), Anlage 3 zum Schriftsatz der Klägerin vom 2. Mai 2007 in der Sache S 83 KA 207/07, „Doppelblinder, randomisierter Parallelgruppen-Vergleich der Wirksamkeit und Verträglichkeit von Cineol und Ambroxol bei Patienten mit chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen“: Hier hat der Beklagte plausibel eingewandt, aufgrund des Studiendesigns könne kein Beleg für den therapeutischen Nutzen von Cineol als Zusatzbehandlung bei entzündlichen Atemwegserkrankungen erkannt werden; es seien keine patientenrelevanten Endpunkte definiert worden, Cineol sei nicht in der beantragten Indikation als Zusatzbehandlung eingesetzt worden.
·Juergens et al. (2003), „Antiinflammatorische Wirkung von 1,8-Cineol (Eucalyptol) bei Aasthma bronchiale, Eine plazebo-kontrollierte Doppelblindstudie“, Zeitschrift für Diagnostik und Therapie Nr. 11/2003, S. 561:

In dem Beitrag heißt es, erstmals sei der Nachweis einer antiinflammatorischen Wirkung von Cineol bei Asthma gelungen. Seine potentielle Rolle zur frühen systemischen antiinflammatorischen Therapie des intermittierenden und des leichten Asthmas mit erhöhtem topischen Glukokortikosteroidbedarf müsse noch untersucht werden. Der Beklagte hat hier angeführt, die Studie leide unter einer kleinen Patientenzahl (32) ohne Fallzahlplanung; die Größe einer klinischen Studie sei aber entscheidend für ihre Aussagekraft. Die Studie sei daher nicht geeignet, eine Reduzierung des Glukokortikosteroidbedarf zu belegen. Der Senat hält diese Sichtweise für schlüssig. Die Studie selber führt zudem aus, dass erstmals die antiinflammatorischen Wirkung von Cineol bei Asthma belegt sei und es weiterer Forschung bedürfe; fachwissenschaftlicher Konsens kann damit, unabhängig von den methodischen Einwänden des Beklagten, nicht belegt sein.

·Worth et al. (2009, englischsprachig), “Concomitant therapy with Cineole (Eucalyptole) reduces exacerbations in COPD: A placebo-controlled double-blind trial”, Respiratory Research 2009: Hier hat der Beklagte schlüssig eingewandt, die Studie sei nicht geeignet, eine Verbesserung der Lungenfunktion, eine Reduktion der Dyspnoe oder eine Verbesserung der Lebensqualität zu belegen. Der Einfluss von Cineol auf die Anzahl der Exazerbationen sei statistisch signifikant, klinisch aber nicht relevant. Zudem leide die Studie unter methodischen Schwächen (u.a. zusammengesetzter Endpunkt). Hinzu komme, dass Patienten mit dem höchsten Schweregrad IV der Erkrankung gar nicht erst in die Studie einbezogen worden seien. Dieser Einwand ist gerade deshalb überzeugend, weil die Klägerin ihr Begehren auf die COPD der Schweregrade III und IV richtet.
·Worth et al. (2012, englischsprachig), „Patients with Asthma Benefit from Concomitant Therapy with Cineole: A Placebo-Controlled Double-Blind Trial”, Journal of Asthma 2012, 849: Hier geht der Einwand des Beklagten dahin, dass lediglich Patienten mit leichtem bis moderatem Asthma in die Studie eingeschlossen worden seien, nicht dagegen Patienten mit dem höchsten Schweregrad IV der Erkrankung. Die Studie leide unter hohem Verzerrungspotential, das vor allem aus fehlenden Angaben zu Studienausscheidern resultiere sowie unter unklarer Patientenrelevanz der erzielten therapeutischen Effekte. Zudem belege das Fazit der Studie, dass es sich bei der Zusatzbehandlung mit Cineol gerade um eine Therapieoption handele, nicht aber um Therapiestandard („Cineole may provide a useful treatment option for asthma, which may be viewed as complementing in the established guidelines for asthma therapy.“).

Nach alledem kann auch der Senat nicht ansatzweise als belegt ansehen, dass es sich bei Soledum® Kapseln um einen unverzichtbaren Standardwirkstoff zur (Zusatz-)Behandlung der COPD und des Asthma in schwerwiegenden Verlaufsformen handelt. Fachwissenschaftlichen Konsens kann der Senat daher nicht erkennen, selbst wenn in Gestalt einiger Studien vereinzelte Anhaltspunkte für die von der Klägerin beschriebene Wirksamkeit von Cineol in Bezug auf die im Klageantrag beschriebene Indikation bestehen mögen. Für die Aufnahme in die OTC-Übersicht sind diese Anhaltspunkte aber bei Weitem nicht ausreichend. Dies gilt zuletzt auch in Würdigung der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme von Prof. Dr. J vom 11. April 2013, die sich in ihrem Plädoyer gerade auch auf die o.g. Veröffentlichungen von Worth et al. bezieht und selbst einräumt, dass in Bezug auf die Wirksamkeit von Cineol bei der (Zusatz-)Behandlung der COPD und des Asthma in schwerwiegenden Verlaufsformen „noch kein einheitlicher Konsens in Deutschland“ bestehe.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat der Senat die Revision zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.