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GdB - psychisches Leiden


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 13. Senat Entscheidungsdatum 28.11.2013
Aktenzeichen L 13 SB 182/13 ECLI
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen § 69 SGB 9

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Im Übrigen verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 60 ab dem 9. Februar 2011.

Der 1959 geborene Kläger ist als Lehrer in B tätig.

Auf Antrag des Klägers vom 9. Februar 2011 stellte der Beklagte nach Beiziehung medizinischer Befundunterlagen der gutachtlichen Stellungnahme des Facharztes für HNO-Krankheiten OMR Dr. P vom 23. März 2011 folgend mit Bescheid vom 23. März 2011 einen GdB von insgesamt 20 aufgrund folgender Funktionsbeeinträchtigungen fest:

Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20),
Bluthochdruck (Einzel-GdB 10),
Ohrgeräusche (Tinnitus) (Einzel-GdB 10),
Gesichtsneuralgie (Trigenimusneuralgie) (Einzel-GdB 10),
Funktionsbehinderung des Kniegelenkes bds. (Einzel-GdB 10),
psychische Störungen (Neurosen) (Einzel-GdB 10).

Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 15. April 2011 ließ die Beklagte dem Kläger am 12. Mai 2011 durch den Arzt Dr. R begutachten, der den GdB unverändert mit insgesamt 20 bewertete. Dem folgend wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2011 zurück.

Der Kläger hat am 8. September 2011 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er sein Begehren auf Feststellung eines GdB von 60 weiterverfolgt hat.

Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte, des Facharztes für Orthopädie Dr. L vom 15. März 2012, des Facharztes für HNO-Heilkunde Dr. R(Eingang 23. März 2012), des Prof. Dr. S der C B vom 19. April 2012, des Arztes für Neurologie und Psychiatrie G vom 19. April 2012 und den Behandlungsplan des Kieferorthopäden Dr. B vom 14. Juni 2012 eingeholt.

In Auswertung dieser Befundberichte hat der Beklagte der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin MR R vom 26. Juli 2012 folgend mit Schriftsatz vom 01. August 2012 einen Gesamt-GdB von 30 aufgrund eines mit 20 zu bewertenden Bluthochdruckleidens ab Antragstellung am 9. Februar 2011 anerkannt. Mit entsprechendem Ausführungsbescheid vom 6. August 2013 hat der Beklagte dieses Anerkenntnis umgesetzt und zugleich festgestellt, dass eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit („d. E.“) gegeben sei.

Das Sozialgericht hat sodann den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 17. April 2013 gelangte der Sachverständige nach körperlicher Untersuchung des Klägers vom 26. Februar 2013 zu der Einschätzung, dass aufgrund des bestehenden Wirbelsäulenleidens der GdB mit 20 zu bewerten sei. Die übrigen Funktionsbeeinträchtigungen würden allein einen GdB von jeweils 10 bedingen und führten daher nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Eine psychische Störung im Sinne einer länger als 6 Monate andauernden Funktionsbeeinträchtigung sei nicht zu bestätigen.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2013 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und den Beklagten verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu ¼ zu erstatten. Ein höherer GdB als von 30 lasse sich in Auswertung der vorliegenden medizinischen Befundunterlagen und unter Berücksichtigung der gutachtlichen Feststellungen und Einschätzungen des Sachverständigen Dr. R nicht rechtfertigen.

Gegen den ihm am 25. Juli 2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15. August 2013 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, dass aufgrund der eingeholten Befundberichte die im Einzelnen bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen höher zu bewerten seien. Das Gutachten des Sachverständigen Dr. R überzeuge nicht, da es kurz gehalten sei, sich mit der Schmerzsymptomatik des Klägers nicht ausreichend auseinandersetze und nicht verwertbar sei.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juli 2013 zu ändern und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 23. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2011 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 6. August 2013 zu verpflichten, für den Kläger ab dem 9. Februar 2011 einen Grad der Behinderung von 60 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 23. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2011 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 6. August 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 30 ab dem 9. Februar 2011.

Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches/ Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 des Bundesversorgungsgesetzes zu bewerten. Hierbei sind als antizipiertes Sachverständigengutachten vorliegend die seit dem 1. Januar 2009 in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I Seite 2412) festgelegten „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“, die in Form einer Rechtsverordnung in Kraft gesetzt worden sind, heranzuziehen. Liegen dabei mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, so ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Dabei verbietet sich die Anwendung jeglicher Rechenmethoden, insbesondere die bloße Addition der Einzel-GdB (Teil A Nr. 3a der Anlage zu § 2 VersMedV, Seite 24). Nach Teil A Nr. 3c der Anlage zu § 2 VersMedV (Seite 25) ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann mit Blick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und insoweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB- Grad von 10 bedingen, führen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung; auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB- Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3d aa) bis ee) der Anlage zu § 2 VersMedV, Seite 24 ff.).

Dies zugrunde gelegt hat der Kläger, wie das Sozialgericht zu Recht ausführt, keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 30 ab dem 9. Februar 2011.

Das bei dem Kläger führende Leiden der Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule ist in Anwendung des Teil B Nr. 18.9 der Anlage zu § 2 VersMedV (Seite 106 f.) zutreffend mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet worden, da sich unter Berücksichtigung der Messungen des Gutachters im Verwaltungsverfahren Dr. R und dessen Einschätzung, bestätigt durch den Sachverständigen Dr. R in Auswertung der vorliegenden medizinischen Befundunterlagen nur mittelgradige funktionelle Auswirkungen im Abschnitt der Lendenwirbelsäule feststellen lassen. Die nicht näher begründete Einschätzung des behandelnden Orthopäden Dr. L in seinem Befundbericht vom 15. März 2012, es lägen mittelgradige Auswirkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule und Brustwirbelsäule vor, überzeugt demgegenüber nicht.

Der Senat folgt der Einschätzung des Beklagten, dass das bei dem Kläger bestehende Bluthochdruckleiden aufgrund des vorgelegten Befundberichtes des Prof. Dr. S der C vom 19. April 2012, wonach eine arterielle Hypertonie zweiten Grades (mittelschwere Form) vorliege, in Anwendung des Teil B Nr. 9.3 der Anlage zu § 2 VerMedV (Seite 67 f.) mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten ist.

Zutreffend ist von dem Beklagten, bestätigt durch den Sachverständigen Dr. R, das Hörleiden mit Tinnitus mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet worden. Es besteht nach der fachärztlichen Stellungnahme des Privatdozenten Dr. G vom 13. Juni 2012 in Auswertung des Tonschwellenaudiogrammes vom 29. November 2010 ein Hörverlust von 12 Prozent rechts und von 17 Prozent links. Der behandelnde Facharzt Dr. R ermittelt in seinem Befundbericht (Eingang 23. März 2012) einen Hörverlust von beidseits ca. 15 Prozent. Nach Teil B Nr. 5.2.4 der Anlage zu § 2 VersMedV, Tabelle D (Seite 52) besteht damit auf beiden Ohren eine Normalhörigkeit (0 bis 20 Prozent Hörverlust), so dass keine GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigung vorliegt. Dies wird bestätigt durch den Sachverständigen Dr. R, der ausgeführt hat, dass bei der Untersuchung eine gute Verständigung mit dem Kläger möglichgewesen sei, obwohl dieser vorhandene Hörgeräte nicht getragen habe. Soweit bei dem Kläger Ohrgeräusche (Tinnitus) bestehen, sind diese zur Überzeugung des Senats in Auswertung der vorliegenden medizinischen Befundunterlagen ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen, so dass sich gemäß Teil B Nr. 5.3 der Anlage zu § 2 VersMedV (Seite 54) lediglich ein Einzel-GdB von 10 rechtfertigt. Der Sachverständige Dr. R hat in Auswertung der vorliegenden medizinischen Befunde und nach eingehender Anamneseerhebung zur Überzeugung des Senats ausgeführt, dass sich eine psychische Erkrankung des Klägers nicht feststellen lasse. Nennenswerte psychische Begleiterscheinungen des Tinnitus sind auch ansonsten nicht belegt.

In Übereinstimmung mit der medizinischen Befundlage, der Einschätzung des Beklagten und der Einschätzung des Sachverständigen Dr. Rrechtfertigt auch die nur leichte Gesichtsneuralgie kein höherer Einzel-GdB als von 10 (Teil B Nr. 2.2 der Anlage zu § 2 VersMedV,Seite 34). Dem steht nicht entgegen, dass die Gesichtsneuralgie bereits seit Jahrzehnten bestehen soll. Eine erhebliche Schmerzsymptomatik lässt sich, wie das Sozialgericht unter Bezugnahme auf das überzeugende Sachverständigengutachten des Dr. Rausgeführt hat, nicht objektivieren.

Das beidseitige Kniegelenksleiden ist in Auswertung der medizinischen Befundunterlagen nur geringgradiger Natur und daher zutreffend gemäß Teil B Nr. 18.14 der Anlage zu § 2 VersMedV,Seite 116 ff., mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet.

Eine GdB-relevante psychische Störung im Sinne des Teils B Nr. 3.7 der Anlage zu § 2 VersMedV (S. 42) ist zur Überzeugung des Senats aufgrund des schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens des Sachverständigen Dr. R nicht nachweislich belegt. Entgegen der Einschätzung des Klägers setzt sich der Sachverständige bei seiner Bewertung dabei mit den vorhandenen medizinischen Befundunterlagen umfassend auseinander und trifft eine abschließende Bewertung erst, nachdem er den Kläger eingehend untersucht und intensiv befragt hat.

Angesichts zweier mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewertenden Leiden (Lendenwirbelsäule und Bluthochdruck) rechtfertigt sich kein höherer GdB als von insgesamt 30. Die jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewertenden weiteren Leiden, wirken sich, dem Regelfall entsprechend, nicht GdB-erhöhend aus.

Anlass zu weiteren Ermittlungen sieht der Senat nicht. Nach Einholung des Sachverständigengutachtens des Dr. R ist der Sachverhalt auseremittelt. Im Ergebnis beschränkt sich der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren auf eine andere Bewertung der bei ihm bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen, ohne dass Befundunterlagen vorliegen oder vorgelegt werden, die diese Einschätzung bestätigen bzw. die bisherigen Ermittlungen und Feststellungen zumindest in Zweifel ziehen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.