Gericht | OLG Brandenburg 4. Zivilsenat | Entscheidungsdatum | 30.03.2012 | |
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Aktenzeichen | 4 U 95/11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen |
Auf die Berufung der Klägerin wird das am Urteil des Landgerichts Potsdam - 11 O 229/10 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, den der Klägerin infolge des notariellen Vertragsschlusses vom 12.10.2010 (UR-Nr. 768/2010 des Notars … mit Amtssitz in B…) zwischen dem Beklagten, handelnd in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der V… GmbH & Co. … KG, und der W… GmbH in Zukunft entstehenden Schaden zu ersetzen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
Der Beklagte ist seit dem 01.09.2004 Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der V… GmbH & Co. … KG. Bei der Insolvenzschuldnerin handelt es sich um ein Energieversorgungsunternehmen im Sinne des § 9 Grundbuchbereinigungsgesetzes (GBBerG). Die Insolvenzschuldnerin war gemäß § 9 GBBerG Inhaberin von Leitungsrechten über Grundstücke Dritter, die kraft Gesetzes mit beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten gesichert waren. Diese Dienstbarkeiten sind bislang nicht im Grundbuch eingetragen.
Mit notariellem Vertrag vom 29.09.2004 (Urkundenrollen-Nr. 543 aus 2004 des Notars … aus B…) verkaufte der Beklagte an die W… GmbH neben anderem das sanierungsbedürftige Wärmenetz der Insolvenzschuldnerin, unter Einschluss sämtlicher „zum Betrieb dieses Wärmenetzes benötigter Gegenstände“, soweit sie sich außerhalb des Betriebsgeländes der Insolvenzschuldnerin befanden und veräußerungsfähig waren, zum Preis von 1 € (§ 3 des Kaufvertrages, Bl. 139 ff. d.A.).
Mit Unternehmenskaufvertrag vom 01.09.2005 (Bl. 13 ff. d.A.) des Notars K… aus B… (Urkundenrolle Nr. 225/2005) veräußerte der Beklagte an die L… GmbH - die Rechtsvorgängerin der Klägerin - den gesamten Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin, § 1 Ziffer 9 des Vertrages. In § 1 Ziffer 5 dieses Kaufvertrages ist festgehalten, dass die Wärmeverteilung über ein ca. 30 Jahre altes Fernwärmenetz erfolgt, das bereits mit Kaufvertrag vom 1.9.2004 an die W… GmbH veräußert wurde, mit der ein Sonderwärmelieferungsvertrag besteht. In § 8 des Kaufvertrages, der mit „Kenntnisnahme und Gewährleistung“ überschrieben ist, heißt es unter anderem:
„d) die Überleitungsrechte sind derzeit noch nicht dinglich gesichert.“
Mit der W… GmbH schloss der Beklagte am 12.10.2010 (Bl. 43-45 d.A.) vor dem Notar … aus B… (Urkundenrolle Nr. 768/2010) einen weiteren Vertrag, mit dem der oben genannte Vertrag vom 29.9.2004 dahin „geändert“ bzw. „ergänzt“ wurde, dass die Parteien sich darüber einig seien, dass Gegenstand dieses Vertrages auch die Rechte der Insolvenzschuldnerin auf Eintragung immaterieller Rechte (Dienstbarkeiten) bezogen auf das Wärmenetz seien. Entsprechende Ansprüche auf Eintragungen der Dienstbarkeiten trat der Beklagte an die W… GmbH ab.
Die Klägerin und die W… GmbH streiten vor dem Ministerium … des Landes Brandenburg um die zum Zwecke der Grundbuchberichtigung erforderliche Erteilung einer Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung nach § 9 Abs. 4 GBBerG. Das Ministerium stellte die Gesamtrechtsnachfolge der Klägerin in das Energieversorgungsunternehmen aufgrund eines gleichlautenden Antrags der W… GmbH in Frage.
Die Klägerin hat vorgetragen, ihrer Rechtsvorgängerin sei mit dem Vertrag vom 01.09.2005 der gesamte Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin mit allen dazu vorhandenen und darauf bezogenen Genehmigungen, mithin auch den Überleitungsrechten, die noch nicht im Grundbuch eingetragen waren, übertragen worden. Sie sei aufgrund Kaufvertrages mit der L… GmbH vom 04.04.2006 (Anl. K13, Bl. 103 ff d.A.) die Gesamtrechtsnachfolgerin der Insolvenzschuldnerin im Sinne des § 9 Abs. 1 GBBerG. Dies folge unmittelbar aus dem Umstand, dass der gesamte Geschäftsbetrieb übertragen worden sei, sowie aus der Formulierung in § 8 lit. a) des notariellen Vertrages vom 01.09.2005, in der darauf hingewiesen werde, dass die Überleitungsrechte derzeit noch nicht dinglich gesichert seien.
Der Klägerin könne seit dem 01.01.2011 ein Schaden entstehen, weil gemäß § 9 Abs. 1 GBBerG seither die Bestimmung des § 892 BGB zur Anwendung gelange mit der Folge, dass bei einem Verkauf eines Grundstückes, das mit einer nicht eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit belastet ist, ein gutgläubiger Erwerb Dritter möglich sei und die nicht eingetragenen Dienstbarkeiten erlöschen könnten.
Der Beklagte hat die klägerseits erhobene Feststellungsklage für unzulässig gehalten. Er hat zudem gemeint, der Rechtsvorgängerin der Klägerin seien mit dem Vertrag vom 1.9.2005 keine beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten an den belasteten Grundstücken übertragen oder verkauft worden. Dies gelte auch deshalb, weil die Dienstbarkeiten bereits zuvor – durch den Vertrag vom 29.09.2004 – an die W… GmbH übergegangen seien.
Das Landgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Feststellungsinteresse fehle, weil ein Drittrechtsverhältnis zwar den Gegenstand einer Feststellungsklage bilden könne, jedoch ein Interesse der Klägerin an einer alsbaldigen Klärung der Frage fehle, ob sie oder die W… GmbH Inhaber der dinglich gesicherten Überleitungsrechte geworden sei. Denn im Verhältnis der Klägerin zur W… GmbH könnten im vorliegenden Rechtsstreit keine Feststellungen mit bindender Wirkung getroffen werden, weil die W… GmbH nicht Partei dieses Verfahrens sei. Es fehle auch an einem schutzwürdigen Interesse daran festzustellen, dass aufgrund des Vertrages vom 12.10.2010 eine Verpflichtung des Beklagten bestehe, der Klägerin Schadensersatz zu leisten. Denn bereits nach dem Vortrag der Klägerin seien die Überleitungsrechte nicht wirksam durch die Verträge vom 29.9.2004 und 12.10.2010 auf die W… GmbH übertragen worden, so dass die Möglichkeit eines Schadenseintritts nicht bestehe. Der Streit der W… GmbH mit der Klägerin vor dem Ministerium … stehe nicht mit dem Vertragsschluss vom 12.10.2010 in Zusammenhang.
Das Landgericht hat ergänzend argumentiert, die Klage sei überdies unbegründet. Aus dem Vertrag vom 01.09.2005 lasse sich eine dingliche Übertragung der Dienstbarkeiten nicht entnehmen. Gemäß der §§ 1092 Abs. 3, 873 BGB hätte diese eine ausdrückliche Einigung über die Übertragung der Überleitungsrechte und grundbuchliche Eintragung erfordert, an der es fehle. Dem Kaufvertrag vom 1.9.2005 lasse sich außerdem nicht mit erforderlicher Deutlichkeit eine schuldrechtliche Übertragung der genannten Rechte entnehmen. Die Formulierung, es werde der gesamte Geschäftsbetrieb übertragen, stehe im Widerspruch zu der Bemerkung, dass das Fernwärmenetz bereits an die W… GmbH veräußert wurde. Der Hinweis in § 8 des Kaufvertrages, Überleitungsrechte seien derzeit noch nicht dinglich gesichert, lasse eine abschließende Auslegung dahin, dass eine schuldrechtliche Übertragung derselben beabsichtigt gewesen sei, nicht zu.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Klageziel in vollem Umfang weiterverfolgt und an ihrer erstinstanzlichen Sichtweise festhält. Sie meint, im Zuge der insolvenzrechtlichen Umstrukturierung Gesamtrechtsnachfolgerin des Energieversorgungsunternehmens geworden zu sein. Ein Übergang der dinglichen Rechte von der Insolvenzschuldnerin auf die Erwerberin des Leitungsnetzes gemäß § 9 Abs. 1 GBBerG sei ausgeschlossen, weil dem Erwerber des Leitungsnetzes nicht die Position des Gesamtrechtsnachfolgers eingeräumt worden sei.
In einem Gespräch im März 2011 habe der Beklagte selbst eingeräumt, weder im Jahre 2005 noch im Jahre 2004 wissentlich über die Dienstbarkeiten verfügt zu haben.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 24. März 2011, Az.: 11 O 229/10, festzustellen,
a) dass mit notariellem Vertrag vom 12.10.2010, UR-Nr. 768/2010 des Notars … mit Amtssitz in B…, zwischen dem Beklagten, handelnd in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der V... GmbH & Co. … KG, und der W… GmbH keine nicht eingetragenen Rechte und Dienstbarkeiten, die bezüglich des Wärmenetzes der W… GmbH bestehen, übertragen wurden und werden konnten, weil diese bereits vor diesem Vertragsschluss auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin übertragen worden sind;
b) dass der Beklagte verpflichtet ist, den der Klägerin infolge des Vertragsschlusses vom 12.10.2010 in Zukunft entstehenden Schaden zu ersetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags und weist die Sachdarstellung der Klägerin im Hinblick auf angebliche Äußerungen seinerseits im Jahre 2011 zurück.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 11.01.2012 (Bl. 278 f d.A.) Bezug genommen.
II.
Die – zulässige - Berufung der Klägerin hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1) Im Hinblick auf den Klageantrag zu a) ist die Berufung unbegründet; denn das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung im Ergebnis zu Recht angenommen, dass das diesbezügliche Feststellungsbegehren unzulässig ist. Es fehlt das gemäß§ 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
a) Dies liegt allerdings nicht bereits in dem Drittbezug der hier erhobenen Feststellungsklage begründet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann Gegenstand einer Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO auch ein Rechtsverhältnis sein, das zwischen einer Partei und einem Dritten (hier dem Beklagten und der W… GmbH) besteht (BGH, Urteil vom 14.07.1995, V ZR 31/94, Rn. 8; BGH, Urteil vom 5.12.2005, II ZR 291/03, Rn. 10; kritisch Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 256 Rn. 3b).
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer auf ein solches Rechtsverhältnis gerichteten drittbezogenen Feststellungsklage ist, dass dieses Rechtsverhältnis zugleich für die Parteien untereinander von Bedeutung ist und der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Klärung dieser Frage hat. Hierfür wird als ausreichend angesehen, dass der Kläger vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses - die Wirksamkeit eines Vertrages stellt ein Rechtsverhältnis iSd § 256 ZPO dar - zwischen dem Beklagten und dem Dritten in seinem Rechtsbereich trotz der fehlenden Drittwirkung des Urteils (§ 322 Abs. 1 ZPO) mittelbar betroffen wird (vgl. BGH, Urteil vom 17.10.1968, III ZR 155/66, Rn. 24/25 zur Abtretung an einen Dritten). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn das Drittrechtsverhältnis, nämlich die Frage, ob der Beklagte mit notariellem Vertrag vom 12.10.2010 der W… GmbH keine nicht eingetragenen wärmenetzbezogenen Rechte und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten übertragen hat und diese nicht übertragen werden konnten, weil sie bereits vor diesem Vertragsschluss auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin übertragen waren, tangiert den Rechtskreis der Klägerin. Das umstrittene Rechtsverhältnis ist für ihre Rechtsbeziehungen zu dem Beklagten und dem Dritten aufgrund ihres Vertrages vom 1.9.2005 von Bedeutung, weil der Vertrag vom 12.10.2010 ggf. substantiell in ihre Rechte eingreift. Das Rechtsverhältnis ist zudem für den Streit der Klägerin mit der W… GmbH um die Erteilung der Leitungs- und Anlagenrechtsbescheinigung nach § 9 Abs. 4 Grundbuchbereinigungsgesetz von entscheidender Bedeutung.
b) Das Feststellungsinteresse fehlt jedoch unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Feststellungsklage.
aa) Die Klägerin könnte nämlich zur Durchsetzung ihres Rechtsschutzbegehrens auch eine Leistungsklage entweder gegen den Beklagten und/oder direkt gegen die W… GmbH erheben. Trotz des Fehlens eines unmittelbaren, die Dienstbarkeiten betreffenden Vertragsverhältnisses zwischen der Kläger und diesem Unternehmen kommt eine solche Klage - etwa in Gestalt eines Unterlassungsbegehrens - gegenüber der W… GmbH im Zusammenhang mit den Anträgen beim Ministerium … in Betracht.
Jedenfalls dürfte ein Feststellungsantrag gegenüber der W… GmbH aufgrund der Beeinträchtigung eines absoluten Rechts in Gestalt der außerhalb der Grundbuchs auf der Grundlage des GBBerG begründeten Rechte in Betracht, entsprechend §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB möglich sein; denn beschränkte persönliche Dienstbarkeiten stellen ein absolutes Recht im Sinne der §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB dar (Palandt/Bassenge, BGB, 71. Aufl. 2012, § 1004 Rn. 4). Eine direkte Klage gegen die W… GmbH wäre zumindest zweckmäßiger und prozessökonomischer, weil ein Titel gegenüber ihr den Streit um die dinglichen Überleitungsrechte mit Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 1 ZPO) im Verhältnis der vor dem Ministerium um die dinglichen Überleitungsrechte streitenden Prätendenten endgültig ausräumen würde. Die begehrte Feststellung gegenüber dem Beklagten bleibt dahinter zurück.
bb) Zwar wird trotz möglicher Leistungsklage ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO in solchen Fällen bejaht, in denen zu erwarten ist, dass auch ein bloßes Feststellungsurteil zu einer endgültigen Streitbeilegung führen wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn angenommen werden kann, dass der Beklagte bereits auf ein Feststellungsurteil hin leisten wird (BGH, Urteil vom 14.12.2006, IX ZR 102/03, Rn. 7), was der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vor allem bei Klagen gegen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, aber auch gegen Insolvenzverwalter, annimmt. Diese Rechtsprechung ist aber nicht ohne Weiteres auf den Streitfall übertragen werden, weil der eigentliche Streit um die Überleitungsrechte zwischen der Klägerin und der W… GmbH besteht und der Beklagte ein Feststellungsurteil respektieren mag, aber damit noch nicht gesichert feststeht, dass die W… GmbH ebenso verfahren wird.
Die Erwartung, dass das Ministerium … ein Feststellungsurteil der Klägerin im Verhältnis zum Beklagten auch im Verhältnis der Klägerin zur W… GmbH gelten lassen bzw. sich damit begnügen wird, ist in Ermangelung einer Rechtskraft- oder Interventionswirkung, der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit und angesichts des in dem ministeriellen Schreiben vom 15.6.2010 (Anl. B3, Bl. 153) aufgezeigten Klärungsbedarfs ebenfalls zweifelhaft.
2. Soweit die Klägerin – mit dem Klageantrag zu b) - festgestellt wissen will, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihr infolge des Vertragsschlusses vom 12.10.2010 in Zukunft entstehende Schäden zu ersetzen, hat ihr Rechtsmittel Erfolg; denn insoweit ist die Klage zulässig und begründet.
a) aa) Das Feststellungsinteresse der Klägerin kann nicht mit der durch das Landgericht erfolgten Begründung verneint werden, sie selbst gehe von der Unwirksamkeit der Übertragungen vom 29.09.2004 bzw. 12.10.2010 aus, so dass ihr kein Schaden erwachsen könne. Die W… GmbH beruft sich nämlich unstreitig auf die Wirksamkeit dieser Übertragungen und das Ministerium … verwehrt der Klägerin ausweislich der E-Mail vom 22.10.2010 (Anl. K6, Bl. 41) mit Blick auf die Doppelantragstellung und den Vertrag vom 12.10.2010 die Erteilung der erforderlichen Anlagenrechtsbescheinigung, so dass zumindest der von dem Vertrag ausgehende Rechtsschein der Wirksamkeit ausgeräumt werden muss und der Eintritt von Schäden durchaus möglich ist. Entgegen der Annahme des Landgerichts bildet der Vertragsschluss vom 12.10.2010 die wesentliche Ursache des Streits der W… GmbH mit der Klägerin vor dem Ministerium ….
bb) Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO an der begehrten Feststellung. Dieses besteht bereits dann, wenn mit der Klage eine drohende Verjährung eines Schadensersatzanspruchs rechtzeitig gehemmt werden kann (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 256 Rn. 9). Darüber hinaus ist das Feststellungsinteresse gegeben, wenn infolge einer haftungsbegründenden Pflichtverletzung des Prozessgegners künftige Schadensfolgen möglich, ihre Art und ihr Umfang oder ihr Eintritt aber noch in der Entwicklung begriffen und somit ungewiss sind. Ein Feststellungsinteresse ist nur dann zu verneinen, wenn bereits aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines irgendwie gearteten Schadens wenigstens zu rechnen. Daran fehlt es hier, weil nach dem Vorbringen der Klägerin seit dem 1.01.2011 die jedenfalls nicht fernliegende Gefahr eines Verlustes dinglicher Leitungsdienstbarkeiten infolge gutgläubigen Erwerbs seitens Dritter besteht.
b) Der Klägerin steht ein Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten gemäß §§ 280, 433 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Unternehmenskaufvertrag der Parteien vom 01.09.2005 zu.
Der Beklagte haftet in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Klägerin für die im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss vom 12.10.2010 entstehenden Schäden.
Er durfte die nicht eingetragenen Dienstbarkeiten nicht mit dem Vertrag vom 12.10.2010 an die W… GmbH übertragen, weil diese bereits aufgrund des zwischen ihm mit der Klägerin geschlossenen Unternehmenskaufvertrag vom 01.09.2005 kraft Gesetzes auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin übergegangen waren.
Die nicht eingetragenen und außerhalb des Grundbuchs entstandenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten bezüglich des Wärmenetzes standen ursprünglich unstreitig der Insolvenzschuldnerin zu. Für die wärmenetzbezogenen Versorgungsleitungen der Insolvenzschuldnerin sind gemäß den Regelungen des Einigungsvertrages (Anlage K, Kapitel V, Sachgebiet D, Abschnitt I, Nummer 4), wonach Nutzungsrechte für die Inanspruchnahme privater Grundstücke bei Energieversorgungsleitungen bis zum 31.12.2010 fortbestehen, nach dem Grundbuchbereinigungsgesetz mit Wirkung zum 25.12.1993 beschränkte persönliche Dienstbarkeiten kraft Gesetzes außerhalb der Grundbücher begründet worden. Diese Dienstbarkeiten sind auf Grund von § 9 Abs. 1 GBBerG mit dessen Inkrafttreten am 25. Dezember 1993 entstanden. Danach wird kraft Gesetzes eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten von Energieversorgern im Beitrittsgebiet begründet, die diese zu Besitz, Betrieb, Unterhaltung und Erneuerung von Energieanlagen auf Leitungstrassen berechtigt, die vor dem 3. Oktober 1990 genutzt waren.
aa) Diese Dienstbarkeiten hat die Klägerin mit der Übernahme des Kraftwerks im Jahre 2005 erworben.
Eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Dienstbarkeiten, § 1092 Abs. 3 S. 1 BGB, hat allerdings nicht stattgefunden. Insoweit bestehen die von dem Landgericht aufgezeigten Bedenken. Insbesondere fehlt eine hinreichend in der Vertragsurkunde zum Ausdruck gebrachte Einigung über die Übertragung der Dienstbarkeiten. Der unter dem Abschnitt „Kenntnisnahme und Gewährleistung“ in § 8 lit. d) enthaltene Hinweis, dass die Überleitungsrechte derzeit noch nicht dinglich gesichert seien, könnte zwar auf eine schuldrechtliche Übertragung der Überleitungsrechte auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin hindeuten, lässt aber ein gesichertes Verständnis, dass eine schuldrechtliche Übertragung gewollt war bzw. eine schuldrechtliche Übertragung der Überleitungsrechte bereits als gegeben zwischen den Parteien vorausgesetzt wurde, allein nicht zu. Gleichfalls möglich wäre nämlich ein Verständnis dahin, dass die zum gesondert veräußerten Leitungsnetz zugehörigen dinglichen Überleitungsrechte durch den Netzinhaber noch nicht dinglich abgesichert worden sind.
Die Klägerin hat die Dienstbarkeiten indessen – gemäß §§ 1092 Abs. 2, 1059a Ziffer 1 BGB - im Wege der mit dem Vertrag vom 01.09.2005 begründeten Gesamtrechtsnachfolge nach der Insolvenzschuldnerin erlangt. Gemäß § 1 Ziff. 9 des Vertrages vom 01.09.2005 hat der Beklagte der Klägerin die Rechtsposition eines Gesamtrechtsnachfolgers in das Versorgungsunternehmen eingeräumt. Damit sind auch die beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten auf die Klägerin übertragen. Entgegen der Annahme des Landgerichts bedurfte es für diesen Fall keiner ausdrücklichen Übertragung der Dienstbarkeiten.
bb) Ein Übergang der Dienstbarkeiten scheitert hier, entgegen der Annahme der Beklagten, auch nicht daran, dass die Dienstbarkeiten bereits zuvor – im Jahre 2004 - auf die W… GmbH übertragen worden wären, was gemäß § 1059a Ziffer 1 letzter Halbsatz BGB zu einem Ausschluss des Überganges der Dienstbarkeiten im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge im Jahre 2005 geführt hätte.
Zwar wäre ein Übergang auf die W… GmbH im Wege der Teilunternehmensrechtsfolge nach § 1092 Abs. 2 i.V.m. § 1059a Ziffer 1 BGB grundsätzlich denkbar gewesen, weil die W… GmbH einen Teil des Versorgungsunternehmens, nämlich das Leitungsnetz, von dem Beklagten übernommen hatte. Das Leitungsnetz stellt einen Unternehmensteil im Sinne des § 1095a Ziffer 2 BGB dar, das eine organisatorisch-wirtschaftliche Einheit erfordert, die auch im Zusammenwirken mit anderen Betriebsmitteln ein selbständiges Wirtschaften ermöglicht (Palandt/Bassenge, BGB, 71. Aufl., 2012, § 1059a Rn. 1; Joost, in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., 2009, § 1092 Rn. 9).
Eine Übertragung der nicht eingetragenen beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten im Wege der Teilunternehmensrechtsfolge oder auf rechtsgeschäftliche Weise im Zusammenhang mit dem Verkauf des Leitungsnetzes am 29.09.2004 ist jedoch nicht erfolgt.
Insbesondere bestehen Bedenken gegen die Annahme einer Einigung über die Übertragung, die dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügt. Eine ausdrückliche Einigung über die Übertragung der Dienstbarkeiten lässt sich dem Wortlaut des notariellen Kaufvertrags vom 29.09.2004 - im Gegensatz zu dem streitbefangenen Vertrag vom 12.10.2010 - nicht entnehmen. Aus dem Kaufvertrag folgt lediglich die Übertragung des Leitungsnetzes als Teil des Anlagevermögens der Insolvenzschuldnerin nebst „aller zum Betrieb dieses Wärmenetzes benötigten Gegenstände (Anlagevermögen)“. Rechte wie beschränkt persönliche Dienstbarkeiten werden zum dauerhaften Betrieb des Wärmenetzes zwar benötigt, sie stellen aber keine „Gegenstände“ dar, was gegen ihre Zuordnung zum Anlagevermögen spricht.
Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, es habe im Jahre 2004 zwischen ihm und der W… GmbH Einigkeit darüber bestanden, dass auch die wärmenetzbezogenen Dienstbarkeiten auf den Netzbetreiber übergehen sollten. Der Senat hat bereits in der Sitzung vom 11.01.2012 (Bl. 279 d.A.) darauf hingewiesen, dass dieses Vorbringen nicht hinreichend substantiiert ist. Bei der Formulierung, es habe Einigkeit bestanden, handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern bereits um eine rechtliche Schlussfolgerung. Es fehlt an jeglichen tatsächlichen Anknüpfungspunkten, aus denen auf eine solche Einigkeit geschlossen werden könnte. Der nachgelassene Schriftsatz der Beklagtenseite vom 01.02.2012 hat insoweit nicht die erforderliche Substantiierung gebracht; er beschränkt sich auf die Wiederholung der Behauptung.
Angesichts fehlenden substantiierten Vorbringens der Beklagtenseite war die Vernehmung der beklagtenseits benannten Zeugen nicht angezeigt.
Ob, wie die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 15.02.2012 behauptet, der Beklagte bei einer Unterredung am 11.03.2011 tatsächlich sogar ausdrücklich erklärt hat, bei einem der beiden Vertragsschlüsse – 2004 und 2005 –wissentlich über die dinglichen Leitungsrechte verfügt zu haben, kann nach alledem dahinstehen.
Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hätte (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB), sind von diesem nicht vorgetragen. Die möglichen Schäden liegen in dem seit dem 01.01.2011 drohenden gutgläubigen Erwerb von Grundstücken ohne die Dienstbarkeiten begründet.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 10.000,00 € festgesetzt.