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Grundsicherung für Arbeitssuchende; Prozesskostenhilfe; einstweiliger Rechtsschutz; Statthaftigkeit der Beschwerde; Beschwerdewert; rückwirkende Bewilligung; Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld; Erwerbsfähigkeit trotz Arbeitsmarktrente; Aufhebung für die Vergangenheit; Einkommensberücksichtigung; Rente wegen voller Erwerbsminderung; Berücksichtigung vor tatsächlichem Zufluss; Darlehen; Ermessenschrumpfung auf Null


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 10. Senat Entscheidungsdatum 14.06.2010
Aktenzeichen L 10 AS 664/10 B PKH ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 8 Abs 1 SGB 2, § 11 SGB 2, § 13 SGB 2, § 19 SGB 2, § 20 SGB 2, § 23 Abs 4 SGB 2, § 28 SGB 2, § 2 Abs 2 AlgIIV, § 2 Abs 4 AlgIIV, § 43 SGB 6, § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10, § 48 Abs 1 S 3 SGB 10, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG, § 86b Abs 1 S 2 SGG, § 86b Abs 2 S 2 SGG, § 172 Abs 1 SGG

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. März 2010 aufgehoben.

Der Antragstellerin wird für das einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt T M bewilligt; Monatsraten oder Beiträge aus dem Vermögen sind nicht zu zahlen.

Gründe

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nur noch eine Beschwerde der 1974 geborenen, alleinstehenden Antragstellerin, die ebenso wie die mit ihr zusammenlebenden Söhne (M, geboren 1994, und D, geborenen 1995) seit dem 01. August 2009 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht und der die Deutschen Rentenversicherung (DRV) Berlin-Brandenburg aufgrund eines im September 2009 gestellten Antrags unter Zugrundelegung eines am 01. Juni 2006 eingetretenen Versicherungsfalls mit Bescheid vom 01. Oktober 2009 (Bl 151ff VA) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. September 2009 bewilligte, die bis zum 31. August 2011 befristet ist. Die Befristung wurde damit begründet, es sei nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne (Bl 156 VA). Für die Zeit ab dem 01. November 2009 werde laufend ein Betrag von 701,51 EUR (Nettozahlbetrag) monatlich gezahlt. Die Rente für den jeweiligen Monat werde am Monatsende ausgezahlt. Die Nachzahlung für die Zeit vom 01. September 2009 bis zum 31. August 2009 werde vorerst nicht ausgezahlt. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2009 teilte der Rentenservice der Deutschen Post der Antragstellerin nochmals mit, dass die Rente Ende November 2009 ausgezahlt werde. Die Rentenzahlung für den Monat November wurde dem Konto der Antragstellerin am 30. November 2009 gutgeschrieben (Bl P 61).

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 16. März 2010, mit dem das SG ausdrücklich nur den am 20. November 2009 gestellten Antrag der Antragstellerin abgewiesen hat, ihr Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten für den am 20. November 2009 gestellten und am 08. Dezember 2009 für erledigt erklärten und damit als zurückgenommen zu wertenden Eilantrag (vgl dazu Bundessozialgericht <BSG>, Beschluss vom 29. Dezember 2005 - B 7a AL 192/05 B, juris) zu gewähren. Da das Rechtsschutzziel der Antragstellerin vornehmlich darin bestanden hatte, auch für den Monat November 2009 weiterhin den Teil der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II als Zuschuss zu beziehen, der nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II von der Bundesagentur für Arbeit zu erbringen ist und der der Antragstellerin ursprünglich mit Bescheid vom 13. Juli 2009 (Bl 63ff VA) in Höhe von insgesamt 488,00 EUR (Regelleistung 359,00 EUR zuzüglich Leistungen für einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung 129,00 EUR) für diesen Monat bewilligt worden war (vgl zur Teilbarkeit des Streitgegenstandes insoweit: BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 19), war ihr Eilantrag, richtig verstanden, insoweit von Anfang an dahingehend zu würdigen (§ 123 SGG), dass sie in erster Linie einen mit einem Vollzugsfolgenbeseitigungsantrag (§ 86b Abs 1 Satz 2 SGG) verbundene Antrag (§ 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 12. November 2009 (Schreiben vom 09. November 2009 <Bl 200 VA>) gegen den Bescheid vom 02. November 2009 (Bl 26ff GA) gestellt hatte, soweit darin ihr entsprechender Leistungsanspruch für den Monat November 2009 auf 84,76 EUR mit der Begründung reduziert worden war, dass die Rente wegen voller Erwerbsminderung angerechnet werde. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin wurde der Bescheid vom 19. November 2009 (Bl 32ff GA) auch nicht insoweit Gegenstand des Widerspruchsverfahrens (§ 86 SGG) als darin dieser Leistungsanspruch der Antragstellerin, nachdem nunmehr von der Rentenzahlung die Versicherungspauschale von 30,00 EUR nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm § 6 Abs 1 Nr 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) abgezogen worden war, für den Monat November auf 102,00 EUR erhöht worden ist. Denn soweit eine Besserstellung im Rahmen des ursprünglichen Verfahrensgegenstandes erfolgt, liegt eine (Teil-)Abhilfe vor, für die, weil es sich nur um eine Begrenzung des ursprünglichen Verfahrensgegenstandes handelt, § 86 SGG nicht gilt (Binder in Lüdtke, SGG, 3. Aufl 2009, RdNr 2 zu § 86). Die Statthaftigkeit des Antrages nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG beruht darauf, dass dem bezeichneten Widerspruch nicht schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zugekommen ist (§ 39 Nr 1 SGB II iVm § 86a Abs 2 Nr 4 SGG) und die Möglichkeit, einstweiligen Rechtsschutz über den Erlass einer Anordnung iS von § 86b Abs 2 Satz 2 SGG zu suchen, gegenüber der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nachrangig ist (§ 86b Abs 2 Satz 1 SGG). Mit Rücksicht auf das Vorbringen der Antragstellerin, der Antragsgegnerin sei die Berücksichtigung der bewilligten Rente für die Berechnung ihres individuellen Leistungsanspruchs für November 2009 vor deren tatsächlichen Zufluss verwehrt, da ihr ansonsten die notwendigen Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts fehlten, und des von ihr mit dem Widerspruch vom 12. November 2009 ausdrücklich (hilfsweise) gestellten Darlehensantrags, hatte die Antragstellerin darüber hinaus bei verständiger Würdigung (§ 123 SGG) hilfsweise beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer Regelungsanordnung iSv § 86 b Abs 2 Satz 2 SGG zu verpflichten, ihr einen Betrag von weiteren 386,00 EUR (Regelleistungsbedarf einschließlich Mehrbedarf für Alleinerziehende von 488,00 EUR abzüglich des bereits als Zuschuss gewährten entsprechenden Leistungen von 102,00 EUR) für den Monat November 2009 als Darlehen zu zahlen.

Offenbleiben kann, ob die gegen den bezeichneten Beschluss des SG ursprünglich ebenfalls eingelegten Beschwerden der beiden Söhne der Antragstellerin zulässig waren, die mit ihr zumindest seit dem 2009, dem Tag nach Vollendung des 15. Lebensjahres des Sohnes M, eine Bedarfsgemeinschaft bilden (§ 7 Abs 3 Nrn 1, 2 und 4 SGB II). Dies hätte nur in Erwägung gezogen werden können, wenn mit Blick auf das prozessuale Meistbegünstigungsprinzip (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 1 RdNr 11) und wegen der in § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II festgelegten horizontalen Methode der Einkommensverteilung in der Bedarfsgemeinschaft (vgl grundlegend bereits BSG, aaO, RdNr 15) davon hätte ausgegangen werden müssen, dass die Söhne - entgegen dem vom Verfahrensbevollmächtigten gesetzten äußeren Schein, der allein deren Mutter als Antragstellerin des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und des PKH-Verfahrens benannt hatte - von vornherein als weitere Antragsteller sowohl des Eilverfahrens als auch des PKH-Verfahrens hätten angesehen werden müssen, so dass dem angefochtenen Beschluss des SG möglicherweise zumindest konkludent auch die Abweisung von PKH-Anträgen der beiden Söhne hätte entnommen werden können, mithin diese durch diesen Beschluss beschwert wären. Über diese Fragen muss der Senat jedoch nicht mehr befinden, nachdem die Beschwerden der beiden Söhne inzwischen zurückgenommen worden sind.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist unabhängig vom Beschwerdewert auch nach § 172 Abs 1 SGG statthaft, da nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG Beschwerden gegen die Ablehnung von PKH nur ausgeschlossen sind, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint hat. Eine solche Situation ist aber hier nicht gegeben, weil das SG seine ablehnende Entscheidung (allein) damit begründet hatte, dass das einstweilige Rechtsschutzverfahren zu keinem Zeitpunkt Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Der Senat hat bereits zu der bis zum 31. März 2008 geltenden Gesetzeslage die Auffassung vertreten, dass im PKH-Verfahren unabhängig vom Wert der Beschwer in der Hauptsache die Beschwerde zulässig ist (vgl ausführlich: Beschluss des Senats vom 14. Mai 2007 - L 10 B 217/07 AS PKH, juris). Hieran hält er - auch und gerade - nach der umfangreichen Änderung des § 172 SGG zum 01. April 2008 und unter Berücksichtigung des Gesetzgebungsprozesses fest. § 172 Abs 3 SGG enthält eine klare und eigenständige Regelung dazu, in welchen Fällen die grundsätzlich zulässige Beschwerde gegen Entscheidungen der Sozialgerichte ausgeschlossen ist – einschließlich besonderer Regelungen zum Beschwerdewert. Auch ein Rückgriff auf den Rechtsgedanken des § 127 Abs 2 Satz 2 ZPO bzw dessen entsprechende Anwendung iVm § 73a Abs 1 Satz 1 SGG (so aber Landessozialgericht <LSG> Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17. September 2009 – L 20 B 2247/08 AS PKH, juris, mit umfangreichen Rechtsprechungs- und Literaturhinweisen) ist daher zur Überzeugung des Senats nicht möglich (so bereits Beschluss des Senats vom 28. August 2009 – L 10 AS 1286/09 B PKH, unveröffentlicht, und ua auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 31. März 2010 - L 19 AS 829/09 B PKH, 12. März 2010 - L 25 B 1612/08 AS PKH und 16. Juli 2009 – L 28 B 1379/08 AS PKH, jeweils juris)

Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antragstellerin ist PKH unter Beiordnung ihres im Tenor bezeichneten Verfahrensbevollmächtigten (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 2 1. Alt ZPO) zu gewähren, da sie nach ihren - hier mit Blick auf § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 1 Satz 3 ZPO nicht näher darzulegenden - persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auch nur teilweise oder in Raten aufzubringen (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 115 ZPO) und dem Eilantrag eine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO) nicht abgesprochen werden konnte. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg ist gegeben, wenn bei summarischer Prüfung des Sach- und Streitstandes eine „reale Chance zum Obsiegen" besteht, während sie bei einer „nur entfernten Erfolgschance" abzulehnen ist. Auch bei nur teilweise zu bejahender Erfolgsaussicht ist in gerichtskostenfreien Verfahren (§ 183 SGG) – wie dem vorliegenden - PKH unbeschränkt zu bewilligen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, RdNr 7a zu § 73a; Knittel in Hennig ua, SGG, RdNr 13 zu § 73a). Dass das einstweilige Rechtschutzverfahren vor dem SG, für das die Bewilligung von PKH unter Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten begehrt wird, schon beendet ist, mithin eine Erfolgsaussicht aktuell nicht mehr besteht, steht der Begründetheit der Beschwerde nicht entgegen. Denn eine rückwirkende Bewilligung unter Beiordnung eines Rechtsanwalts ist immer dann möglich, wenn in dem beendeten Verfahren bereits ein Rechtsanwalt tätig geworden ist (denn in dessen Beiordnung und der damit verbundenen Freistellung des Unbemittelten von dessen Vergütungsansprüchen liegt in einem gerichtskostenfreien und ohne Anwaltszwang ausgestalteten sozialgerichtlichen Verfahren – wie dem vorliegenden - die praktische Bedeutung der Bewilligung von PKH <vgl Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18. Dezember 2001 - 1 BvR 391/01, NZS 2002, 420, 420>), alle Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH vorgelegen haben und eine Entscheidung vor der Erledigung der „Hauptsache“ aber unterblieben ist. Diese Voraussetzungen lagen hier vor.

Zwar hätte der in erster Linie gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (§ 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG) gegen den Bescheid vom 02. November 2009 (Bl 26ff GA), soweit darin der ursprünglich mit Bescheid vom 13. Juli 2009 in Höhe von insgesamt 488,00 EUR (Regelleistung 359,00 EUR zuzüglich Leistungen für einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung 129,00 EUR) (als Zuschuss) bewilligte Teil der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II für November 2009, der nach § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II von der Bundesagentur für Arbeit zu erbringen ist, auf 84,76 EUR abgesenkt worden ist, wohl keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt, da die angefochtene Teilaufhebungsentscheidung im Grundsatz jedenfalls nicht zu beanstanden sein dürfte.

Dies folgt aber – entgegen der Auffassung des SG – nicht bereits daraus, dass die DRV Berlin-Brandenburg der Antragstellerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. September 2009 zuerkannt hatte. Die Schlussfolgerung des SG, die Antragstellerin unterliege deshalb einem „Anspruchsausschluss nach dem SGB II“, ist falsch. Richtig ist vielmehr, dass die Antragstellerin entweder als erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (§ 7 Abs 1 Satz 1 iVm §§ 19ff SGB II) oder als nicht erwerbsfähige Angehörige auf Sozialgeld (§ 7 Abs 2 Satz 1 iVm § 28 SGB II) hatte. Die Zuerkennung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung erlaubt nämlich nicht automatisch die rechtliche Würdigung, die Antragstellerin sei aus gesundheitlichen Gründen nicht erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 8 Abs 1 SGB II) und gehöre somit nicht zum Kreis der Leistungsberechtigten iS des § 7 Abs 1 SGB II. Denn der rentenversicherungsrechtliche Begriff des Erwerbsfähigkeit ist mit dem in § 8 Abs 1 SGB II in Bezug genommenen grundsicherungsrechtlichen Begriff jedenfalls im Hinblick auf die Voraussetzungen einer sog Arbeitsmarktrente bei einem verbliebenen Restleistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden und gleichzeitiger Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes (stRspr des BSG: vgl hierzu im Einzelnen nur BSG SozR 2200 § 1246 Nr 13) nicht deckungsgleich (vgl hierzu eingehend: BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 42/08 R, juris, RdNr 16 mwN). Sollte das Restleistungsvermögen der Antragstellerin auf absehbare Zeit unter drei Stunden täglich gesunken sein und wäre sie damit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erwerbsfähig iS des § 8 Abs 1 SGB II, würde damit nur ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II nach Maßgabe der §§ 19ff SGB II ausgeschlossen sein, da dieser die Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen voraussetzt. Sie könnte dann aber jedenfalls Sozialgeld beanspruchen (§ 7 Abs 2 Satz 1 iVm 28 SGB II), das die Antragsgegnerin ihr im Übrigen auch gewährt hatte, da sie mit ihrem erwerbsfähigen Sohn M in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, und ihr schon deshalb keine Ansprüche nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XII) zustehen (§ 28 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 41 Abs 1 Nr 2 SGB XII), weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung wieder behoben werden kann (vgl BSG, aaO, RdNr 14). Mit dieser Begründung hatte auch zuvor das Land Berlin, vertreten durch das Sozialamt des Bezirksamtes R, mit Bescheid vom 02. Juli 2009 (Bl 4 VA) die bisher nach dem Dritten Kapitel des SGB XII erbrachten Leistungen an die Antragstellerin und ihre beiden Söhne ab dem 01. August 2009 eingestellt. Nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB II umfasst der Anspruch auf Sozialgeld die sich aus § 19 Satz 1 Nr 1 SGB II ergebenden Leistungen, mithin die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung. Soweit der Anspruch auf Sozialgeld sich der Höhe nach von einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II unterscheiden kann, weil zB bestimmte Zuschüsse (z.B. nach § 24 SGB II) den Bezug von Arbeitslosengeld II erfordern, spielt das im vorliegenden Fall keine Rolle, weil die Antragstellerin nur einen Mehrbedarf wegen Alleinerziehung (§ 21 Abs 3 Nr 1 SGB II) neben der Regelleistung (und den hier nicht streitigen Leistungen der Kosten der Unterkunft und Heizung) beanspruchen konnte, der auch nicht erwerbsfähigen Personen zusteht.

Vielmehr war die Antragsgegnerin – jedenfalls dem Grunde nach – berechtigt die Teilaufhebungsentscheidung für November 2009 aus den von ihr auch genannten Gründen zu treffen. Denn die Leistungsbewilligung vom 13. Juli 2009 ist gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wegen einer wesentlichen Änderung in den Verhältnissen (teilweise) rechtswidrig geworden. Aus § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X iVm § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch folgt, dass ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben ist, soweit nach Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt wird, das zum Wegfall oder Minderung des Anspruchs geführt haben würde; als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen ua Einkommen auf einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums (§ 48 Abs 1 Satz 3 SGB X). Die Rentenzahlung für November 2009 musste für diesen Monat bereits als Einkommen nach §§ 11, 13 SGB II iVm §§ 2 Abs 2 und 4 Alg II-V angerechnet werden, obwohl zum Zeitpunkt des Erlasses des die Teilaufhebungsentscheidung verlautbarenden Bescheides vom 02. November 2009 der Antragstellerin (und der mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden beiden Söhnen) die Rentenzahlung für diesen Monat noch nicht zugeflossen und mithin zur Deckung ihres Bedarfs (noch) nicht zur Verfügung gestanden hatte.

Es konnte aber dem hilfsweise gestellten, den Erlass einer Regelungsanordnung (§ 86b Abs 2 Satz 2 SGG) betreffenden Antrag eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden. Denn ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin nach § 23 Abs 4 SGB II hätte ernsthaft in Betracht gezogen werden müssen. Nach dieser Vorschrift können Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Mit dieser Regelung sollen insbesondere Fälle wie der vorliegende erfasst werden, in denen im Voraus bekannt ist, dass die Hilfebedürftigkeit wegen späteren Einkommenszuflusses für den Monat vermindert oder ausgeschlossen wird (vgl. BT-Drs 15/2997 Seite 24 und Lang/Blüggel in Eicher/Spellbrink, SBG II, 2. Aufl 2008, RdNr 119 zu § 23). Da die hier in Rede stehende Rentenzahlung am 20. November 2009 (Zeitpunkt der Antragstellung beim SG), noch nicht zugeflossen war, mit deren Zufluss aber noch Ende des Monats November 2009 angesichts der Mittelung des Rentenservices der Deutschen Post von Oktober 2009 sicher zu rechnen war, die der Antragstellerin bis zum 20. November 2009 ausgezahlten Leistungen, soweit sie von der Bundesagentur für Arbeit zu erbringen waren, lediglich einen entsprechenden Bedarf von 102,00 EUR deckten, ihr tatsächlicher Bedarf insoweit aber 488,00 EUR betrug, so dass bereits seit dem 01. November 2009 eine Unterdeckung ihres Bedarfs von 386,00 EUR bestand, und die Antragstellerin über keinerlei Rücklagen verfügte, dürfte das der Antragsgegnerin nach § 23 Abs 4 SGB II zustehende Ermessen zu Gunsten der Antragstellerin auf Null geschrumpft gewesen sein. Die Antragsgegnerin hätte somit die von der Antragstellerin zu überbrückende Zeit bis zur Rentenzahlung am Monatsende durch die Gewährung des beantragen Darlehen absichern müssen. Im Hinblick auf den existenzsichernden Charakter des beantragten Darlehens dürfte auch der für den Erlass einer Regelungsanordnung notwendige Anordnungsgrund iS eines eiligen Regelungsbedürfnisses vorgelegen haben.

Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich. Gerichtskosten werden nicht erhoben und außergerichtliche Kosten werden nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht erstattet.

Der Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).