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Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs - unstreitige Veranlagung zum Tarif - eiliges Regelungsbedürfnis wegen drohender Insolvenz


Metadaten

Gericht LSG Berlin-Brandenburg 3. Senat Entscheidungsdatum 18.12.2013
Aktenzeichen L 3 U 112/13 B ER ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen § 86a SGG, § 86b SGG, Gefahrentarif BauBG

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 13. Juni 2013 aufgehoben und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin gegen die Bescheide vom 21. April 2011 und 20. April 2012 betreffend die Jahre 2011 und 2012 abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren abgeändert und auf 36.965,17 € festgesetzt.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 35.715,17 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin (Agin) wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Neuruppin vom 13. Juni 2013, mit dem das SG die Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin (Astin) gegen die Beitragsbescheide der Agin vom 21. April 2011 und vom 20. April 2012, die Jahre 2011 und 2012 betreffend, angeordnet hat.

Die Astin, die seit dem Jahr 2005 u. a. die Arbeitnehmerüberlassung zum Unternehmensgegenstand hatte, wurde von der Verwaltungsberufsgenossenschaft, deren Mitgliedsunternehmen sie zunächst war, zum 01. Januar 2009 an die Agin überwiesen. Nach dem Ergebnis einer Betriebsprüfung übte die Astin keine Beschäftigung im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung mehr aus, sondern ihre Mitarbeiter waren in unterschiedlichen, vollständig oder teilweise durch die Firma abgedeckten Bau-Projekten im In- und Ausland tätig.

Mit bestandskräftigem Zuständigkeitsbescheid vom 28. Januar 2009 erklärte die Agin die Erfassung der Astin mit Wirkung ab dem 01. Januar 2009 mit den Unternehmensteilen „Tunnelbau“ und „Büroteil“ und erließ in der Folge Beitrags- und Beitragsvorschussbescheide für 2009 und 2010/2011. Nach weiteren Betriebsprüfungen veranlagte die Agin mit bestandskräftigem Bescheid vom 19. November 2010 die Astin zu den Tarifstellen 330 „Tunnelbau“, 100 „Errichten von Bauwerken des Hoch-und Tiefbaus“, 220 „Herstellen von Fertigteilen und Betonwaren“ und 900 „Büroteil des Unternehmens“.

Die Agin forderte von der Astin Beiträge für die Jahre 2011 und 2012 von insgesamt 270.085,69 € an, und zwar zunächst durch:

-Beitragsvorschussbescheid vom 21. April 2011 (Vorschüsse für 2011 von insgesamt 98.491,57 €, wobei hierin die mit Beitragsvorschussbescheid für 2010/2011 vom 24. November 2010 angeforderten Vorschüsse mit Fälligkeit 15. Januar und 15. März 2011 über jeweils 21.186,88 € enthalten sind),
-Beitragsvorschussbescheid vom 21. April 2011 (Vorschüsse für Januar und März 2012 von 16.415,26 € bzw. 16.415,24 €).

Gegen die zuvor genannten Bescheide erhob die Astin jeweils Widerspruch, nahm aber am 15. Juli 2011 den Widerspruch gegen den Beitragsvorschussbescheid für 2011 wie auch gegen den Beitragsbescheid für 2010 vom 21. April 2011 zurück.

Am 21. Juli 2011 erließ die Agin u.a. folgende Änderungsbescheide:

-Vorschussänderungsbescheid vom 21. Juli 2011 (Vorschüsse für 2011 insgesamt 126.628,42 €),
-Vorschussänderungsbescheid vom 21. Juli 2011 (Vorschüsse für Januar und März 2012 von 21.104,69 € bzw. 21.104,65 €).

Auch hiergegen erhob die Astin jeweils Widerspruch.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. November 2011 veranlagte die Agin die Astin mit Wirkung ab dem 01. Januar 2012 nach dem 2. Gefahrtarif 2012 zu den Tarifstellen 100 „Bauwerksbau“, 200 „Bauausbau und Fertigteilherstellung“ und 900 „Büroteil des Unternehmens“.

Des Weiteren forderte die Agin von der Astin Beiträge für die Jahre 2011 und 2012 an durch:

-Beitragsbescheid für 2011 vom 20. April 2012 (Beiträge von 155.913,55 €); hierbei ordnete die Agin, entsprechend dem von der Astin am 08. Februar 2012 vorgelegten Lohnnachweis 2011, Arbeitsentgelte nicht mehr – wie in 2009 und 2010 – dem streitigen Gewerbezweig „Tunnelbau“, sondern dem Bereich „Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus“ zu und legte die von der Astin erklärten Arbeitsentgelte zugrunde (Bereich „Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus“: 1.424.130,00 €, Bereich „Herstellen von Fertigteilen und Betonwaren“: 338.460,00 €, Bereich „Büroteil, nur für Beschäftigung in Büro oder Verwaltung“: 283,122,00 €),
-Bescheid vom 20. April 2012 über 2011 angefallene Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 21.266,50 € (für geschuldete Beiträge bzw. Vorschüsse für die Jahre 2009, 2010 und Jahr 2011),
-Beitragsvorschussbescheid vom 20. April 2012 (Vorschüsse für 2012 von insgesamt 114.172,14 € (wobei hierin die mit Beitragsvorschussbescheid vom 21. April 2011, geändert durch Bescheid vom 21. Juli 2011, angeforderten Vorschüsse für Januar und März 2012 i. H. v. 21.104,69 € bzw. 21.104,65 € enthaltenen sind),

Die Astin erhob gegen sämtliche Bescheide vom 20. April 2012 Widerspruch.

Mit – nicht im Antrag der Astin enthaltenen - Beitragsbescheid für 2012 vom 25. April 2013 stellte die Agin einen Beitrag von insgesamt 132.040,56 € fest. Hierbei ordnete sie entsprechend dem von der Astin am 06. Februar 2013 vorgelegten Lohnnachweis für 2012 Arbeitsentgelte in Höhe von 1.318.968,00 € dem Bereich „Bauwerksbau“, von 218.198,00 € dem Bereich „Bauausbau und Fertigteilherstellung“ und von 258.346,00 € dem Bereich „Büroteil“ zu. Zugleich ergingen am 25. April 2013 Beitragsvorschussbescheide für 2013 und für Januar und März 2014 sowie ein Bescheid über 2012 angefallene Säumniszuschläge in Höhe von 29.486,00 €.

Gegen sämtliche Bescheide vom 25. April 2013 erhob die Astin ebenfalls Widerspruch.

Die Astin beantragte mit Schreiben vom 23. April 2013 bei der Agin gemäß § 86 a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Bescheide vom 24. November 2010, 21. April 2011 und 20. April 2012 bis zum rechtskräftigen Abschluss des (Widerspruchs-)Verfahrens.

Am 10. Mai 2013 hat die Astin beim SG Neuruppin beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Bescheide für die Jahre 2011 und 2012 vom 24. November 2010, 21. April 2011 und 20. April 2012 anzuordnen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, in materiell-rechtlicher Hinsicht sei nach wie vor umstritten, ob die im Rahmen von Tunnelbaustellen angefallenen Arbeitsentgeltanteile im Bereich „Bauwerk des Hoch- und Tiefbau“ oder im Bereich „Herstellung von Fertigbeton“ zu berücksichtigen seien. Die Vollstreckung sei zudem unbillig. Sie habe am 12. April und am 22. Mai 2013 2013 Zahlungen von 5.000,00 € bzw. 10.000,00 € auf die streitgegenständlichen Forderungen geleistet. Die noch vorgesehene Zahlung weiterer 10.000,00 € habe wegen der Pfändungs- und Einziehungsverfügung nicht geleistet werden können. Die bereits erfolgten Zahlungen i.H.v. 15.000,00 € seien nicht berücksichtigt worden. Insgesamt habe sie in den Jahren 2011 und 2012 187.673,70 € auf die Beitragsschulden entrichtet, hinzu kämen Zahlungen aus 2009 von 16.968,60 € und aus 2010 von 40.656,20 €. Die Zwangsvollstreckung drohe derzeit wegen eines Gesamtbetrages von 212.649,63 €, worin Säumniszuschläge in Höhe von 21.266,50 € enthalten seien. Sie könne kurzfristig 50.000,00 € zahlen und dann in Raten zwischen der 21. und 25. Kalenderwoche jeweils 10.000,00 € bzw. 15.000,00 €. Sofern die kalkulierte betriebliche Entwicklung anhalte, könne Sie des Weiteren in den Monaten Juli bis November 2013 jeweils 20.000 € und im Dezember eine Schlusszahlung von 25.383,10 € leisten. Für die fälligen und fortlaufenden Beiträge seien aus dem Betriebsergebnis für 2012 Rückstellungen in Höhe von 150.000,00 € und aus dem erwarteten Ergebnis für 2013 ebenfalls Rückstellungen von 150.000,00 € gebildet und die laufenden Beiträge für 2013 seien mit 180.000,00 € einkalkuliert worden. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens seien Verhandlungen über eine Stundung bei entsprechender Sicherheitsleistung aufgenommen worden. Obwohl sie alle Fragen der Agin umgehend beantwortet und die übermittelten Angaben durch Wertgutachten etc. belegt habe, habe die Agin nach vorübergehender Einstellung der Vollstreckung bis zum 11. Mai 2013 mit Schreiben vom 10. Mai 2013 erklärt, dass kein weiterer Aufschub gewährt werde und vollstrecke nun ohne Rücksicht auf das laufende Verfahren weiter, ohne eine nachvollziehbare Forderungsaufstellung bzw. Übersicht über die Verrechnung der in den Jahren 2011 und 2012 geleisteten Zahlungen zu übersenden. Bei Fortsetzung der Zwangsvollstreckung sei Insolvenz zu befürchten. Durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 31. Mai 2013 sei ihre Liquidität gefährdet. Sie sei in Folge der Pfändung nicht mehr in Lage, ausstehende Löhne zu überweisen, es würden auch weitere Verbindlichkeiten fällig, die bei Fortsetzung der Zwangsvollstreckung nicht erfüllt werden könnten (Restgehälter, Steuern, Sozialabgaben). Die Nettogehälter beliefen sich auf 80.862,67 €, Steuern und Sozialabgaben für den Monat Juni 2013 auf insgesamt 53.118,25 €. Diese Mittel würden anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Die konkrete Vollstreckungshandlung habe zur Folge, dass die Deutsche Bank als ursprünglich aussichtsreicher Partner für Finanzierungen nunmehr ausfalle, davon betroffen sei auch die Zwischenfinanzierung der zugesagten Abschlagszahlungen an die Agin. Auch im laufenden Geschäftsjahr sei ein Gewinn zu erwarten, was aber nichts daran ändere, dass die Gefährdung der laufenden Zahlung der Bruttogehälter durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügung zu kurzfristiger Zahlungsunfähigkeit führen werde.

Zur Glaubhaftmachung hat die Astin Ablichtungen der drei Vollstreckungsankündigungen vom 17. April 2013 nebst Kontoauszügen vom 20. April, 31. Mai und 21. November 2012 sowie diverser Schreiben der beiden Beteiligten vorgelegt, des Weiteren einen Bericht des Unternehmensberaters R R vom 20. Dezember 2012 zur Entwicklung 2013 nebst weiteren Schreiben des Herrn R sowie einer Plausibilitätsbeurteilung durch die Dr. H & Partner Steuerberatungsgesellschaft, ferner eidesstattliche Versicherungen ihres Geschäftsführers vom 10. Mai 2013 sowie der Gesellschafterin und Personalleiterin Frau J L-S vom 11. Juni 2013.

Die Agin hat den Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet gehalten. Der Beitragsvorschussbescheid vom 24. November 2010 (Vorschüsse 2010/2011) sei mangels Widerspruchseinlegung bindend geworden. Bereits für das Jahr 2010 habe die Astin Jahreslohnnachweise ohne Arbeitsentgelte für den Gewerbezweig „Tunnelbau“ eingereicht, die in dieser Form auch dem Beitragsbescheid für 2010, dem Beitragsvorschussbescheid für 2011 und dem Bescheid vom 20. April 2011 über die ersten beiden Vorschüsse 2012 zugrunde gelegt worden seien. Im Rahmen der Betriebsprüfung sei festgestellt worden, dass eine Lohnsumme von mindestens 576.197,00 € (bisher nachgewiesen unter dem Gewerbezweig „Errichten von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus“) tatsächlich dem Gewerbezweig Tunnelbau zuzuordnen sei. Mit Bescheid vom 21. Juli 2011 habe sie zwar dementsprechend Beiträge von 27.426,98 € nacherhoben, jedoch befinde sich dieser Betrag nicht in der Vollstreckung. Im Jahreslohnnachweis 2011 habe die Astin Arbeitsentgelte für den Gewerbezweig „Tunnelbau“ ebenfalls nicht nachgewiesen und habe ihre Angaben als vollständig und mit den Lohnunterlagen und der Finanzbuchhaltung übereinstimmend bezeichnet. Ob die Angaben der Astin so zuträfen, sei noch durch eine Betriebsprüfung zu klären. Derzeit dürfte aber ein streitbefangener Betrag aus dem Beitragsbescheid für 2011 nicht entstehen, denn sie habe die Vollziehung der tatsächlich streitbefangenen Beträge bereits vor dem Antrag der Astin ausgesetzt und damit zu keinem Zeitpunkt Anlass für das nunmehr anhängige Verfahren gegeben. Im Übrigen habe sie bereits im Hinblick auf weitere Zahlungen der Antragstellerin am 14. Mai 2013 die Vollstreckungsforderung auf 165.880,15 € reduziert.

Mit Beschluss vom 13. Juni 2013 hat das SG Neuruppin die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Astin gegen die Bescheide der Agin vom 21. April 2011 und vom 20. April 2012, die Jahre 2011 und 2012 betreffend, angeordnet und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Den Streitwert hat es mit 102.333,26 € festgesetzt.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Agin geltend, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide für 2011 und 2012 nicht bestünden. Die Rechtsfrage, in welchem Bereichen die Arbeitsentgelte statt in der Tarifstelle „Tunnelbau“ zu berücksichtigen seien, stelle sich im Bezug auf die angefochtenen Bescheide nicht. Vielmehr habe sie die von der Astin mit dem Jahreslohnnachweis 2011 nachgewiesenen Bruttoarbeitsentgelte ihrem Beitragsbescheid zu Grunde gelegt. Weder für 2011 noch für 2012 seien im Gewerbezweig „Tunnelbau“ Beiträge erhoben worden. Soweit das SG Anhaltspunkte für eine unbillige Härte darin erkannt habe, dass die Agin „in einer Reihe von Schriftsätzen, die erhobenen Beitragsnachforderungen unterschiedlich festgestellt habe“, sei anzumerken, dass die der Astin zugesandten Kontoauszüge und Schriftsätze keine Verwaltungsakte darstellten, die Gegenstand des anhängigen Verfahrens hätten werden können. Sie habe der Astin mit Schreiben vom 14. Mai 2013 die korrekte Zuordnung erläutert. Entgegen der Ansicht der Astin liege keine Doppelvollstreckung vor. Der Streitwert betrage nicht – wie vom SG angenommen – 102.333,26 € (= ein Viertel von 409.333,05 €), sondern lediglich 67.521,42 € (= ein Viertel von 270.085,69 €). Das SG habe nicht berücksichtigt, dass die einzelnen Vorschussbescheide in anderen Vorschussbescheiden aufgegangen bzw. durch die Beitragserhebung im Zuge der Umlage abgelöst worden seien und daher die Beträge fälschlich zusammen addiert. Es werde aber zu bedenken gegeben, dass auch ein Auffangstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i. H. v. 5.000 € je Beitragsjahr, mithin 10.000 €, angemessen sein könnte. Beiträge im Gewerbezweig „Tunnelbau“ seien für die Jahre 2011 und 2012 nicht berechnet worden, so dass die Beschwer der Astin nicht erkennbar und ein streitbefangener Beitragsanteil nicht zu beziffern sei.

Die Agin hat eine Aufstellung der einzelnen Forderungen seit dem Jahr 2009 sowie der geleisteten Zahlungen und deren Zuordnung auf die einzelnen Forderungsbeträge vom 07. Oktober 2013 zur Akte gereicht.

Die Agin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 13. Juni 2013 aufzuheben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Astin gegen die Bescheide vom 21. April 2011 und 20. April 2012 betreffend die Beiträge der Jahre 2011 und 2012 abzulehnen und den Streitwert auf maximal 67.521,42 € festzusetzen.

Die Astin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung beruft sie sich vor allem auf das Vorliegen einer unbilligen Härte unter Berücksichtigung ihrer vorherigen Darlegungen und eine drohende Insolvenz bei Begleichung der strittigen Forderungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Agin Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidung waren.

II.

Die zulässige Beschwerde der Agin ist begründet. Das SG hat in dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Bescheide vom 21. April 2011 und vom 20. April 2012 betreffend die Beiträge für die Jahre 2011 und 2012 inclusive der 2011 angefallenen Säumniszuschläge angeordnet und den Streitwert zu hoch festgesetzt.

Gegenstand des einstweiligen Anordnungsverfahrens sind – ohne dass dies von der Astin oder vom SG im Einzelnen bezeichnet worden ist - bei sachgemäßer Auslegung (§ 123 SGG) des sich ausdrücklich nur auf die Bescheide vom 21. April 2011 und vom 20. April 2012 betreffend die Beitragsforderungen für die Jahre 2011 und 2012, gegen die ein Widerspruchsverfahren bei der Agin anhängig ist, beziehenden Antrags:

-der Beitragsvorschussbescheid für die ersten beiden Vorschüsse 2012 vom 21. April 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. Juli 2011 (§ 86 SGG),
-der Beitragsbescheid für 2011 vom 20. April 2012 (155.913,55 €),
-der Bescheid vom 20. April 2012 über 2011 angefallene Säumniszuschläge von insgesamt 21.266,50 € für rückständige Beiträge und Vorschüsse für die Jahre 2009,2010 und 2011,
-der Beitragsvorschussbescheid für 2012 vom 20. April 2012.

Nicht Gegenstand des Verfahrens geworden sind der Beitragsvorschussbescheid für 2011 vom 21. April 2011, da der hierzu eingelegte Widerspruch bereits am 15. Juli 2011 von der Astin zurückgenommen worden war, und der am 21. Juli 2011 hierzu erlassene Vorschussänderungsbescheid für 2011. Auch die 2012 angefallenen Säumniszuschläge sowie die den Beitrag 2012 betreffenden Bescheide aus dem Jahre 2013 sind vom Antrag der Astin nicht umfasst und damit nicht Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens geworden.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Bei den streitigen Bescheiden handelt es sich um eine Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge im Sinne von § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG, weshalb eine aufschiebende Wirkung der Widersprüche gemäß § 86 a Abs. 1 SGG nicht eingetreten ist. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die streitbefangenen Bescheide anzuordnen, ist daher nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG grundsätzlich zulässig.

Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Ast einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Ast eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs, hier des Widerspruchs, zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Landessozialgericht <LSG> Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Mai 2012, L 8 R 164/12 BER, in juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage 2012, § 86 b Rdnr. 12b i. V. m. § 86 a Rdnr. 27 ff, jeweils m.w.N.).

Nach der im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung bestehen im Streitfall keinerlei Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit des Beitragsvorschussbescheides für die ersten beiden Vorschüsse 2012 vom 21. April 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. Juli 2011, des Beitragsbescheides für 2011 vom 20. April 2012, des Beitragsvorschussbescheides für 2012 vom 20. April 2012 und des Bescheides vom 20. April 2012 über die 2011 angefallenen Säumniszuschläge. Bei dem Beitragsbescheid für 2011 wie auch bei den Beitragsvorschussbescheiden für 2012 hat die Agin jeweils die von der Astin mit den Jahreslohnnachweisen für 2011 vom 31. Januar 2012 und für 2012 vom 31. Januar 2013 für die jeweiligen Gewerbezweige erklärten Bruttoarbeitsentgelte zu Grunde gelegt, wobei keine Arbeitsentgelte im (für die Beiträge 2009 und 2010 noch) streitigen Gewerbezweig „Tunnelbau“ enthalten sind. Dass die angefochtenen Bescheide Rechen- oder Übertragungsfehler enthalten, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Astin nicht behauptet. Zudem gilt ab dem Jahr 2012 ohnehin ein neuer Gefahrtarif, der eine Gefahrtarifstelle „Tunnelbau“ nicht mehr enthält. Abgesehen davon sind die Veranlagungsbescheide zur Tarifstelle „Tunnelbau“ vom 28. Januar 2009 und 19. November 2010 bestandskräftig, so dass im Beitragsfestsetzungsverfahren Rügen, gerichtet auf eine weitere Ausdifferenzierung dieser Tarifstelle, nicht greifen. Diese können nur gegen die Veranlagung direkt geltend gemacht werden, was hier von der Astin versäumt worden ist. Im Übrigen hat die Agin hinsichtlich des - hier nicht streitbefangenen – Beitrages für das Jahr 2010 entsprechend dem Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 30. März 2012 (L 2 U 204/11 B ER) betreffend den Beitrag für das Jahr 2009 die Vollziehung hinsichtlich des auf den Gewerbezweig „Tunnelbau“ entfallenden Beitragsanteils teilweise ausgesetzt.

Ebenso wenig bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit hinsichtlich der im Bescheid vom 20. April 2012 festgesetzten Säumniszuschläge für 2011. Nach § 24 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von eins von Hundert des rückständigen, auf fünfzig Euro nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Unstreitig befand sich die Astin mit der Zahlung der Beiträge laut Beitrags- und Beitragsvorschussbescheiden für die Jahre 2009 bis 2011 im Rückstand. Dabei kann dahinstehen, ob in diesem einstweiligen Rechtsschutzverfahren entsprechend dem ausdrücklich nur auf die Bescheide vom 21. April 2011 und 20. April 2012 betreffend die Jahre 2011 und 2012 bezogenen Antrag lediglich die auf die Beitragsvorschüsse für 2011 angefallenen Säumniszuschläge oder auch die für offene Beiträge bzw. Beitragsvorschüsse für 2009 und 2010 angefallenen Säumniszuschläge streitbefangen sind. Die Astin befand sich nach Fälligkeit der mit Vorschussbescheid vom 24. November 2010 (betreffend Januar und März 2011), Vorschussbescheid vom 21. April 2011 (betreffend Mai bis November 2011) und Vorschussänderungsbescheid vom 21. Juli 2011 festgesetzten Vorschüssen für 2011 – wie auch hinsichtlich der in den vorangegangenen Beitrags-/Vorschussbescheiden für 2009 und 2010 festgesetzten Beiträge und Vorschüsse - in der Säumnis. Dass die Astin gegen die genannten Bescheide jeweils Widerspruch erhoben hat, ändert daran nichts, da diesem keine aufschiebende Wirkung zukam und die Agin dem Vollziehungsaussetzungsantrag der Astin nicht nachgekommen ist. Weder behauptet die Astin, dass die Agin die aus den rückständigen Beitragen bzw. Vorschüssen im Jahr 2011 angefallenen Säumniszuschläge in unzutreffender Höhe festgesetzt hat, noch ist dies nach Lage der Akten ersichtlich. Konkrete Einwendungen sind dem gesamten Vorbringen der Astin nicht zu entnehmen.

Ohne Erfolg beruft sich die Astin darauf, dass die Vollziehung des Beitragsvorschussbescheides für die ersten beiden Vorschüsse 2012 vom 21. April 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. Juli 2011, des Beitragsbescheides für 2011 vom 20. April 2012, des Beitragsvorschussbescheides für 2012 vom 20. April 2012 und des Bescheides vom 20. April 2012 über die 2011 angefallenen Säumniszuschläge für sie eine unbillige Härte bedeute.

Eine unbillige Härte des Sofortvollzugs liegt entsprechend der Regelung in § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG dann vor, wenn Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., zu § 86 a Rdnr. 27b m. w. N.). Bei der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen muss es sich um Nachteile handeln, die durch eine spätere Rückzahlung von tatsächlich nicht geschuldeten Beiträgen nicht mehr korrigierbar sind. Dazu zählen Fälle, in denen die Zahlung zur Arbeitgeberinsolvenz führen oder der Bestand des Unternehmens gefährdet würde. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, a. a. O., zu § 86 b Rdnr. 42 m. w. N.).

Sind daher – wie hier zum Teil - Beiträge bereits bezahlt bzw. durch Verrechnung getilgt worden, besteht nach diesen Grundsätzen kein eiliges Regelungsbedürfnis (mehr), weil dem Pflichtigen durch die Versagung der Aufhebung der Vollziehung für die Vergangenheit keine wesentlichen Nachteile mehr entstehen können, die sich durch den Erlass der auf eine zukünftige Regelung gerichteten einstweiligen Anordnung noch abwenden ließen.

Eine unbillige Härte im oben dargestellten Sinn ist aber auch im Fall der Vollziehung der streitigen Bescheide bzgl. Beiträge, Vorschüsse bzw. Säumniszuschläge für 2011 und 2012 hinsichtlich der noch offenen Forderungen nicht anzunehmen.

So wird die aufschiebende Wirkung wegen besonderer Härte dann abgelehnt, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes – wie hier - nahezu ausgeschlossen sind (vgl. Bundesfinanzhof <BFH>, BFHE 90, 318 und BFHE 92, 314, zitiert nach juris). In diesem Zusammenhang sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Vollziehung lediglich hinsichtlich der auf der Grundlage der Angaben der Astin erlassenen Beitrags- bzw. Vorschussbescheide droht, also die umstrittene Zuordnung zum Gewerbezwieg „Tunnelbau“ für die Beitragsjahre 2011 und 2012 nicht in Rede steht. Es erscheint daher angemessen, den Gedanken eines überwiegenden öffentlichen Interesses an der Vollziehung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes hier heranzuziehen, auch wenn der Aussetzungsgrund zur Vermeidung einer unbilligen Härte selbständig neben dem Aussetzungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit steht. Bei Beitragsforderungen ist zusätzlich zu beachten, dass geforderte Beiträge nicht allein das Rechtsverhältnis zwischen Beitragsschuldner und Behörde betreffen. Denn anders als nachgeforderte Steuern wirken sich Sozialversicherungsbeiträge direkt auf die Sozialrechtsverhältnisse der betroffenen Beschäftigten aus. Es sind also die Interessen des Beitragsschuldners, die Interessen der Versichertengemeinschaft und die Interessen der Beschäftigten in die Beurteilung der unbilligen, nicht durch öffentliche Interessen gebotene Härte einzubringen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist trotz der Höhe der offenen Beitrags- bzw. Vorschuss- wie auch Säumniszuschlagsforderungen (siehe die von der Agin mit Schreiben vom 07. Oktober 2013 überreichte Aufstellung der seit dem Jahr 2009 geleisteten Zahlungen und deren Zuordnung auf die einzelnen Forderungsbeträge) eine unbilligen Härte im oben dargestellten Sinn im Fall der Astin nicht anzunehmen. Allein die mit der Zahlung auf offene Beitragsforderungen für die Jahre 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013 in Höhe von derzeit rd. 140.000,00 € für die Astin verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer unbilligen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Zu berücksichtigen ist auch das Zahlungsverhalten der Astin, die über längere Zeiträume keinerlei Beitrags- bzw. Vorschusszahlungen geleistet hat. Die Aufstellung der von der Astin seit 2009 geleisteten Zahlungen von Oktober 2013 zeigt, dass im Jahr 2012 nur im September ein Betrag von 20.000 € gezahlt wurde, dem offene Vorschussbeträge für 2012 in Höhe von 114.172.00 € gegenüber standen.

Es wurden aber auch keine aktuellen und aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt, die über die wirtschaftliche Gesamtsituation des Unternehmens zuverlässig Aufschluss hätten geben und den Zahlungsverzug hätten erklären können. In einem mit der Agin geführten Gespräch vom 31. Mai 2012 wurde die Auftragslage von der Astin als beständig einträglich dargestellt. Zur Sicherheit angebotene Werkverträge wurden nicht näher benannt. Ebenso wenig konkret und unter Berücksichtigung hoher, bereits bestehender Belastungen nicht ausreichend zur Sicherung der Beitragsforderungen stellte sich das Angebot der Forderungssicherung über eine noch einzutragende Eigentümerbriefgrundschuld betreffend das Firmengrundstück dar.

Aber selbst im Falle ernsthafter Liquiditätsprobleme stellt die Vollziehung eines Beitragsbescheids in der Regel keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte i. S. v. § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG dar, denn die Beitragslast trifft jeden Beitragspflichtigen unabhängig von seiner Vermögens- und Einkommenslage (vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 09. März 2006, L 6 R 967/05 ER, zitiert nach juris). Vielmehr wird das Interesse des Unfallversicherungsträgers an einer zeitnahen Durchsetzbarkeit der Beitragsforderung gerade dann hoch sein, wenn von Seiten des Unternehmens behauptet wird, dass Zahlungsunfähigkeit drohe. Gerade in einer solchen Situation ist der Unfallversicherungsträger gehalten, die Beiträge rasch einzutreiben, um die Funktionsfähigkeit der Unfallversicherung sicherzustellen.

Eine beachtliche Härte in diesem Sinne wäre also regelmäßig nur dann denkbar, wenn die Durchsetzung der konkreten Beitragsforderungen der Agin aktuell zur Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 17 Insolvenzordnung (InsO) führen würde und/oder die Zerschlagung des Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, andererseits die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit. Dass es sich so verhält, hat die Astin weder konkret vorgetragen noch glaubhaft gemacht.Eine solche Situation ist aber auch deshalb nicht anzunehmen, weil die Astin, wie erwähnt, ihren Geschäftsbetrieb nach wie vor mit einträglichem Ergebnis weiter führt. So weist der Bericht der Unternehmensberatung R zur Entwicklung 2013 ein Betriebsergebnis für 2011 mit Erlösen von insgesamt 4.472.563,92 € und einem Gewinn nach Steuern von 124.082,98 € (2,77 %) aus. Das zu erwartende Ergebnis für das Jahr 2012 erreichte eine Gesamtleistung von 3.473.090,- € bei einem vorläufigen Gewinn von 169.543,14 € (4,88 %). Rückstellungen für Forderungen der Agin hat die Astin erstmals in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2012 gebildet, weil sie hierfür zuvor keinen Anlass gesehen hatte. Dies erscheint im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden Veranlagungs- und Beitragsbescheide jedenfalls fahrlässig, zumal hinsichtlich der Beitragsforderungen für 2009 (und entsprechend für 2010) tatsächlich nur ein geringer Anteil streitbefangen ist (vgl. hierzu Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 30. März 2012, L 2 U 204/11 B ER, betreffend das vorangegangene einstweilige Rechtsschutzverfahren der Astin). Aber auch hinsichtlich der i. H. v. 93.896,94 € in der Bilanz für 2012 gebildeten Rückstellungen ist anzumerken, dass der Umstand, dass die Antragstellerin möglicherweise die wegen der niedrigeren Steuerlast insoweit gesparten Steuerzahlungen anderweitig verwendet hat und so nicht zahlungsfähig ist, keine unbillige Härte zu begründen vermag.

Ohnehin sprechen die sich aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung der Gesellschaft per 31. Oktober 2012 ersichtlichen deutlichen Jahresüberschüsse nicht für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, auch wenn es im Geschäft der Astin aufgrund der Vorfinanzierung der Personalkosten, für deren Vorfinanzierung sie, wie sie vorträgt, Bürgschaften und Anschubfinanzierung zu leisten habe, immer wieder zu kurzfristigen Liquiditätsengpässen kommt. Diese vermochte die Astin jedoch stets innerhalb weniger Wochen wieder auszugleichen. Die Astin führt ihre Geschäfte nach wie vor, wenn auch bei verringerten Lohnsummen, fort und vermochte nach der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers A L vom 10. Mai 2013 aus ihrem erwirtschafteten Ergebnis Rückstellungen für die Forderungen der Agin von je 150 000,00 € zu bilden und hat für laufende Beiträge 180 000,00 € eingeplant. Von daher ist nicht ersichtlich, wieso sie nicht in der Lage sein sollte, die Beiträge bzw. Beitragsvorschüsse regelmäßig zu zahlen, zumal sie sich offensichtlich durch Forderungsverkäufe an eine Factoringgesellschaft Liquidität verschaffen, ferner ihr Betriebsgrundstück fremdfinanziert ausbauen und Löhne, Sozialabgaben und Steuern bezahlen konnte.

Auch aus dem Bericht über die Plausibilitätsbeurteilung zum Bericht zur Entwicklung 2013 von R R vom 12. Dezember 2012 durch die Steuerberatungsgesellschaft Dr. H & Partner lassen sich keine Anhaltspunkte für die geltend gemachte drohende Zahlungsunfähigkeit der Astin herleiten. Bereits im einleitenden Teil „1. Auftragsannahme“ wird von Seiten der Steuerberatungsgesellschaft klargestellt, dass Beurteilungen insolvenzrechtlicher Art nicht Bestandteil des Auftrags gewesen sind. Zudem wird darauf hingewiesen, dass ihr lediglich der Bericht des Herrn R R vom 20. Dezember 2012 ohne Anlagen und lediglich die Jahresabschlüsse der Gesellschaft bis 2011 zur Verfügung gestanden haben, der Auftrag aber im Mai 2013 durchgeführt worden ist. Soweit die Steuerberatungsgesellschaft am Ende ihrer Plausibilitätsbeurteilung darauf hinweist, dass „bei weiterer Bindung finanzieller Ressourcen der Gesellschaft möglicherweise rechtliche Schritte angezeigt seien“, war diese Beurteilung ausdrücklich nicht durch den Auftrag abgedeckt.

In der Gesamtschau liegt damit gerade nicht der Fall vor, dass ein offensichtlich rentabel wirtschaftender Betrieb durch die Beitragsnachforderung erst in die Insolvenz geführt wird.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass sich der vorliegende Schriftverkehr zwischen den Beteiligten und die eingereichten Unterlagen und Erläuterungen zur aktuellen Vermögenslage im Wesentlichen auf die seit Jahren andauernden Verhandlungen der Beteiligten über eine Stundung oder über eine Ratenzahlung im Vergleichswege beziehen. Seit Beginn ihrer Mitgliedschaft bei der Agin hat die Astin Zahlungsrückstände, sie tilgt lediglich zum Teil, indem sie neu entstehende Forderungen der Agin nicht befriedigt und ihre Mittel vorrangig anderweitig einsetzt. Seit Beginn an geführte Stundungsverhandlungen waren nicht erfolgreich, weil sich das Betriebsgrundstück, der einzige größere Vermögenswert der Astin, mit einem Verkehrswert von 460.000 € laut Verkehrswertgutachten vom 18. Oktober 2010 und einem Verkehrswert von 640.000 € ausweislich des Wertermittlungsgutachtens vom 07. Februar 2011 aufgrund einer bereits bestehenden Grundschuld über 470.000 €, bestellt für die B Volksbank für zwei Kredite (Tilgungsdarlehen und Annuitätendarlehn), denen laut Schreiben vom 17. April 2013 434.278 € an Verpflichtungen gegenüber standen, nicht als werthaltig genug zur Sicherung der Beitragsforderung der Agin erwies. Inwieweit es der Astin möglich sein wird, die angebotenen Sicherheiten für eine Stundung der Beitragsforderungen oder für Ratenzahlungen einzusetzen, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens sondern im Rahmen der Möglichkeiten, die § 76 Abs. 2 SGB IV außerhalb der verfahrensrechtlichen Normen der §§ 86 a, 86 b SGG bietet, zu klären.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Auf die nach § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. §§ 63 Abs. 1 GKG zulässige Beschwerde der Agin war die Streitwertfestsetzung im Beschluss des SG Neuruppin vom 13. Juni 2013 abzuändern. Der Streitwert für das erstinstanzliche wie auch für das Beschwerdeverfahren bestimmt sich nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 GKG und trägt dem Umstand Rechnung, dass vorliegend nicht die Hauptsache, sondern eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren streitbefangen ist. Danach ist für das erstinstanzliche Verfahren die Summe der im Zeitpunkt der Entscheidung des SG noch offenen Beitrags-/ Vorschuss- und Säumniszuschlagsforderungen der Agin für die Jahre 2011 und 2012 entsprechend ihrer Aufstellung im Oktober 2013 in Höhe von 147.860,68 € (offene Vorschüsse/Beiträge für 2011 i. H. v. 42.422,04 €, offene Vorschüsse/Beiträge für 2012 i. H. v. 84.172,14 € und offene Säumniszuschläge i. H. v. 21.266,50 €) zugrunde zu legen und ein Viertel hiervon (= 36.965,17 €) als Streitwert im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in Ansatz zu bringen. Für das Beschwerdeverfahren sind die am 21. Juni 2013 für den Beitrag 2012 von der Astin vorgenommenen Teilzahlungen i. H. v. insgesamt 5.000,- € zu berücksichtigen, so dass nur noch eine offene Gesamtforderung i. H. v. 142.860,66 € (offene Vorschüsse/Beiträge für 2011 i. H. v. 42.422,04 €, offene Vorschüsse/Beiträge für 2012 i. H. v. 79.172,14 € und offene Säumniszuschläge i. H. v. 21.266,50 €) zugrunde zu legen und ein Viertel hiervon (= 35.715,17 €) als Streitwert anzusetzen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.