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Entscheidung 1 (Z) Sa 54/13


Metadaten

Gericht OLG Brandenburg 1. Zivilsenat Entscheidungsdatum 30.09.2013
Aktenzeichen 1 (Z) Sa 54/13 ECLI
Dokumententyp Beschluss Verfahrensgang -
Normen

Tenor

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

Das Verfahren ist dem Amtsgericht Charlottenburg zuzuleiten.

Gründe

I.

Der Kläger hat von der Beklagten eine an Dritte vermietete Wohnung in Berlin K… Straße gekauft, welche zum Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg gehört. Nach dem Vortrag des Klägers soll die Beklagte von den Mietern der Wohnung bereits im Jahre 2003 Kautionszahlungen erhalten haben, die dieser nunmehr von der Beklagten verlangt.

Der Kläger hat seine Klage ursprünglich am Amtsgericht Nauen erhoben und eine Anschrift der Beklagten in S… angegeben. Ausweislich der Zustellungsurkunde wurde die Klage auch unter dieser Anschrift zugestellt. Tatsächlich wohnt die Beklagte jedoch seit 2009 in der R… Straße in Berlin, welche zum Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts Charlottenburg gehört.

Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2013 hat der Kläger die Verweisung des Verfahrens an das Amtsgericht Charlottenburg beantragt. Nach Vorlage einer entsprechenden Meldebescheinigung der Beklagten hat das Amtsgericht Nauen sich mit Beschluss vom 7. Juni 2013 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Charlottenburg verwiesen. Das Amtsgericht Charlottenburg hat die Sache an das Amtsgericht Nauen zurückgesandt, „mit der Bitte, den dortigen Verweisungsbeschluss vom 7.06.2013 zu überprüfen“. Das Amtsgericht Charlottenburg geht davon aus, dass sich die Zuständigkeit ausschließlich nach dem Gerichtsstand bei Mieträumen gemäß § 29 a Abs. 1 ZPO ergibt.

Das Amtsgericht Nauen hat den Parteien daraufhin mitgeteilt, dass es keine Zuständigkeit nach § 29 a ZPO sehe, gleichwohl jedoch angefragt, ob ein Verweisungsantrag an das Amtsgericht Kreuzberg-Tempelhof gestellt werde (später hat die Amtsrichterin mitgeteilt, sie sei bei diesem Hinweis irrtümlich davon ausgegangen, dass es sich bei der Anschrift in der K… Straße um den Wohnsitz der Beklagten handele). Aufgrund dieser Anfrage hat der Kläger nunmehr Verweisung an das Amtsgericht Kreuzberg-Tempelhof beantragt. Das Amtsgericht Nauen hat sich mit Beschluss vom 7. August 2013 erneut für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit nunmehr an das Amtsgericht Kreuzberg-Tempelhof verwiesen. Das Amtsgericht Kreuzberg-Tempelhof hat eine Übernahme des Verfahrens mit dem Hinweis auf die Bindungswirkung des ersten Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Nauen vom 7. Juni 2013 abgelehnt. Daraufhin hat das Amtsgericht Nauen nunmehr seinen Verweisungsbeschluss vom 7. August 2013 aufgehoben, sich zum dritten Mal für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.

II.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen nicht vor. Zwar wäre das Brandenburgische Oberlandesgericht für eine Entscheidung über den Zuständigkeitskonflikt zwischen den Gerichten berufen, weil das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof wäre und das zuerst mit der Sache befasste Amtsgericht Nauen zum Zuständigkeitsbereich des Brandenburgischen Oberlandesgerichts gehört. Allerdings fehlt es an einer rechtskräftigen die Zuständigkeit ablehnenden Entscheidung des Amtsgerichts Charlottenburg, was für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das Oberlandesgericht Voraussetzung wäre.

Das Amtsgericht Nauen hat seine Unzuständigkeit erstmals durch den nach § 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 7. Juni 2013 festgestellt. Das anschließend mit der Sache befasste Amtsgericht Charlottenburg hat seine Unzuständigkeit jedoch lediglich durch die Verfügung vom 19. Juni 2013 ausgesprochen, welche den Parteien jedenfalls durch dieses Gericht auch nicht zur Kenntnis gebracht wurde. Dieser akteninterne Vorgang genügt nicht den Anforderungen, die an das Merkmal „rechtskräftig“ im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind (BGH FamRZ 98, 610; Senat NJW 2004, 780; BayOblG RPfleger 04, 234; Baumbach/Lauterbach ZPO, 69. Aufl., § 36 Rdnr. 36; Zöller/ Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 36 Rdnr. 24). Jedenfalls mit dem mit der Anregung zur Berichtigung des Verweisungsbeschlusses verknüpften Hinweis des Amtsgerichts Charlottenburg, dass es sich eine Ablehnung der Übernahme der Sache vorbehält, kann diese Verfügung nicht als eine taugliche Entscheidung für das Bestimmungsverfahren anerkannt werden (OLG Köln ZIP 2000, 155).

Zur Vermeidung eines weiteren Zuständigkeitsstreits weist der Senat auf folgendes hin:

Unabhängig von der Frage, ob der hier geltend gemachte Anspruch tatsächlich den ausschließlichen Gerichtsstand des § 29 a ZPO begründet, dürfte der erste Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Nauen vom 7. Juni 2013 nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend sein. Aufgrund dieser klaren gesetzlichen Regelung kann die Bindungswirkung nur ausnahmsweise infolge der Verletzung höherrangigen (Verfassungs-)Rechts, namentlich bei der ungenügenden Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder bei objektiv willkürlicher Entziehung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), entfallen. Im Interesse einer baldigen Klärung und der Vermeidung wechselseitiger (Rück-)Verweisungen ist die Willkürschwelle dabei hoch anzusetzen. Einfache Rechtsfehler, wie etwa das Übersehen einer die Zuständigkeit begründenden Rechtsnorm, rechtfertigen die Annahme einer objektiv willkürlichen Verweisung grundsätzlich nicht. Hinzu kommen muss vielmehr, dass die Verweisung offenbar gesetzwidrig oder grob rechtsfehlerhaft ist, also gleichsam jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (BGH, Beschluss vom 17.05.2011, X ARZ 109/11, Rdnr. 9, zitiert nach juris; Senat JMBl 2007, 65, 66; NJW 2006, 3444, 3445; 2004, 780; eingehend ferner: Tombrink NJW 2003, 2364 f.; jeweils m. w. N.).

Den derart zu konkretisierenden (verfassungsrechtlichen) Einschränkungen der Bindungswirkung dürfte der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Nauen stand halten. Die Beklagte hat bereits mit der Verteidigungsanzeige vom 28. Februar 2013 auf die für ihren Wohnsitz geltende Zuständigkeit des Amtsgerichts Charlottenburg hingewiesen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 16. Mai 2013 die Verweisung an das Amtsgericht Charlottenburg beantragt. Die Auffassung des Amtsgerichts Nauen, dass der Gerichtsstand des § 29 a ZPO im vorliegenden Verfahren nicht gegeben ist, ist jedenfalls vertretbar und würde - selbst unterstellt sie sei falsch - der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses nicht entgegen stehen.