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Erholungsurlaub; unionsrechtlicher Mindestjahresurlaub; bezahlter Jahresurlaub; Verfall des Urlaubsanspruchs; unionsrechtlicher Abgeltungsanspruch; Arbeitsverhältnis; Beendigung; Verpflichtung des Arbeitgebers; Aufforderung, den Urlaub zu nehmen; Nachweis; Beweislast


Metadaten

Gericht OVG Berlin-Brandenburg 4. Senat Entscheidungsdatum 23.01.2020
Aktenzeichen OVG 4 B 12.18 ECLI ECLI:DE:OVGBEBB:2020:0123.OVG4B12.18.00
Dokumententyp Urteil Verfahrensgang -
Normen Art 7 Abs 1 EGRL 88/2003, Art 7 Abs 2 EGRL 88/2003, UrlV BE

Leitsatz

Der Arbeitgeber muss alle seine Arbeitnehmer rechtzeitig auffordern, ihren Mindestjahresurlaub anzutreten, und über dessen möglichen Verfall informieren. Stellung und rechtliche Kenntnisse eines Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber bei der konkreten Ausgestaltung der Aufforderung und Information berücksichtigen, sie entbinden ihn aber nicht von vornherein von seiner Verpflichtung, aktiv auf die Wahrnehmung des Urlaubs hinzuwirken.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Mai 2013 wird geändert.

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids der Präsidentin des Kammergerichts vom 7. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes der Länder Berlin und Brandenburg vom 4. Mai 2011 verurteilt, an den Kläger 339,71 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. Mai 2011 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die finanzielle Abgeltung von nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

Der Kläger absolvierte vom 13. Mai 2008 bis zum 28. Mai 2010 als Rechtsreferendar seinen juristischen Vorbereitungsdienst in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis bei dem Beklagten. Am 28. Mai 2010 legte er erfolgreich die mündliche Prüfung für das Zweite Staatsexamen ab. Mit Ablauf dieses Prüfungstages schied der Kläger aus dem juristischen Vorbereitungsdienst aus und endete das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis. Der Kläger nahm im Jahr 2010 keinen Urlaub.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2010 beantragte er die Gewährung einer finanziellen Abgeltung für nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaub. Die Präsidentin des Kammergerichts lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 7. Januar 2011 ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Gemeinsame Juristische Prüfungsamt der Länder Berlin und Brandenburg mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2011 zurück.

Der Kläger hat am 31. Mai 2011 beim Verwaltungsgericht Berlin eine auf die Gewährung einer finanziellen Abgeltung für im Jahr 2010 nicht genommene 7 Urlaubstage in Höhe von 293,58 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen gerichtete Klage erhoben.

Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 3. Mai 2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für einen mangels einschlägiger Regelung im nationalen Recht allein in Frage kommenden Anspruch aus Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003 L 299 S.9) lägen nicht vor. Dieser setze nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) voraus, dass der Betroffene aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses auszuüben. Der Anspruch des Klägers auf den ihm für das Jahr 2010 zustehenden Mindesturlaub sei mit dem Ende seines Ausbildungsverhältnisses verfallen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger tatsächlich die Möglichkeit gehabt, den Urlaubsanspruch auszuüben. Obwohl für ihn absehbar gewesen sei, dass sein Ausbildungsverhältnis planmäßig mit Ablauf des 28. Mai 2010 enden werde, habe er gleichwohl nicht, wie von § 9 Abs. 1 EUrlVO gefordert, einen Urlaubsantrag gestellt. Gründe, die ihn gehindert hätten, einen Urlaubsantrag zu stellen, mache er nicht geltend.

Gegen das ihm am 28. Mai 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. Juni 2013 die Zulassung der Berufung beantragt und dies mit am Montag, dem 29. Juli 2013 bei dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Schriftsatz begründet. Die vom Senat mit den Beteiligten am 4. November 2014 zugestelltem Beschluss vom 29. Oktober 2014 zugelassene Berufung hat der Kläger am 3. Dezember 2014 begründet. Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 14. September 2016 (- OVG 4 B 38.14 -) ausgesetzt und gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des EuGH zu den Fragen eingeholt, ob Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegenstehe, wonach der Anspruch auf finanzielle Abgeltung bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist, wenn der Arbeitnehmer keinen Antrag auf Gewährung des bezahlten Jahresurlaubs gestellt hat, obwohl ihm dies möglich war bzw. voraussetze, dass der Arbeitnehmer aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nicht in der Lage war, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub vor Ende des Arbeitsverhältnisses auszuüben.

Der EuGH hat mit Urteil vom 6. November 2018 (- C-619/16 -) geantwortet und entschieden, dass Art. 7 RL 2003/88/EG dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im vorliegenden Verfahren fraglichen entgegensteht, sofern sie dazu führt, dass der Arbeitnehmer, der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Antrag auf Wahrnehmung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, die ihm nach dem Unionsrecht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für diesen nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub verliert, und zwar automatisch und ohne vorherige Prüfung, ob er vom Arbeitgeber z.B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wahrzunehmen.

Im fortgesetzten Berufungsverfahren zieht der Kläger eine nach nationalem Recht wirksame Regelung des Verfalls seines bei Beendigung des juristischen Vorbereitungsdienstes nicht genommenen Urlaubs in Zweifel. Jedenfalls habe ihn der Beklagte nicht den vom EuGH formulierten hohen Anforderungen gerecht werdend tatsächlich in die Lage versetzt, seinen Urlaubsanspruch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wahrzunehmen.

Der Kläger, der im Berufungsverfahren in Erweiterung der erstinstanzlichen Klage zunächst eine Abgeltung für 8 1/3 Urlaubstage mit einem Betrag in Höhe von 349,36 Euro begehrt hatte, hat die Klage in Höhe von 9,65 Euro zurückgenommen und beantragt nunmehr,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Mai 2013 zu ändern, den Bescheid der Präsidentin des Kammergerichts vom 7. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes des Länder Berlin und Brandenburg vom 4. Mai 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 339,71 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. Mai 2011 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, das erstinstanzliche Urteil habe auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des EuGH weiterhin Bestand. Der Kläger sei ausreichend über seine Urlaubsansprüche und deren Verfall aufgeklärt worden. Er habe – vollumfänglich informiert und willentlich – davon abgesehen, die real bestehende Möglichkeit seines Urlaubsantritts wahrzunehmen. Ihm sei am Einstellungstag im Mai 2008 gegen Unterschrift der zu diesem Anlass zu übergebende Leitfaden ausgehändigt worden. Der Text zu Punkt 4.12 „Erholungsurlaub“ sei bis zur Beendigung seines Vorbereitungsdienstes unverändert geblieben. Im Rahmen der Einführungsveranstaltung am Einstellungstag seien alle Referendarinnen und Referendare über die ihnen zustehenden Rechte und Pflichten, insbesondere auch im Hinblick auf die Grundsätze zum Erholungsurlaub, informiert und wegen der Details nachdrücklich aufgefordert worden, den Leitfaden durchzulesen. Dessen Kenntnisnahme habe sich als Dienstpflicht dargestellt. Die diversen Urlaubsanträge des Klägers zeigten, dass ihm das Prozedere der Urlaubsbewilligung bekannt gewesen sei. Mit jeder Bewilligung sei ihm mitgeteilt worden, wieviel Resturlaub ihm noch zustehe. Zuletzt sei ihm mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 mitgeteilt worden, dass ihm für das Jahr 2009 noch fünf Arbeitstage Resturlaub zustünden. Weitere Aufklärungsmaßnahmen seien nicht geboten gewesen. Auf die sich aus der Erholungsurlaubsverordnung ergebende Selbstverständlichkeit, dass Erholungsurlaub, der nur während des laufenden Dienstverhältnisses genommen und gewährt werden könne, bei Beendigung des Dienstverhältnisses verfalle, habe der Kläger nicht hingewiesen werden müssen. Die Auslegung des vom EuGH gebrauchten unbestimmten Rechtsbegriffs der angemessenen und gebotenen Aufklärung könne nur im Lichte des jeweiligen Arbeitsverhältnisses erfolgen. Referendarinnen und Referendare seien gegenüber der Ausbildungsbehörde nicht in einer schwächeren Position, die sie davon abschrecken könnte, Rechte auf Erholungsurlaub geltend zu machen. Es bedürfe keiner wiederholten Ermutigung, den Urlaub auch tatsächlich wahrzunehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten verwiesen, der vorgelegen hat und dessen Inhalt - soweit wesentlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die zulässige und begründete Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung einer Abgeltung in Höhe von 339,71 Euro für 8 1/10 Tage im Jahr 2010 nicht in Anspruch genommenen Mindestjahresurlaub nebst Rechtshängigkeitszinsen. Der Klageerweiterung im Berufungsverfahren, die sich nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung darstellt, haben keine prozessualen Hindernisse entgegengestanden. In die nachfolgend erklärte teilweise Klagerücknahme hat der Beklagte eingewilligt (§ 92 Abs. 1 VwGO).

Rechtgrundlage des mit der Klage geltend gemachten Abgeltungsanspruchs ist Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG, auf den sich der Kläger nach Ablauf der Umsetzungsfrist mangels einer die Richtlinie umsetzenden Abgeltungsregelung im nationalen Recht unmittelbar berufen kann (Vorlagebeschluss des Senats vom 14. September 2016 - OVG 4 B 38.14 - juris Rn. 12 ff).

Die Voraussetzungen für einen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG in Höhe des vom Kläger zuletzt geltend gemachten Betrages liegen vor. Wie der EuGH im Urteil zum vorliegenden Verfahren noch einmal bekräftigt hat, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG für die Entstehung des Anspruchs auf eine finanzielle Vergütung keine andere Voraussetzung auf als diejenige, dass zum einen das Arbeitsverhältnis beendet ist und zum anderen der Arbeitnehmer nicht den gesamten Jahresurlaub genommen hat, auf den er bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch hatte (Urteil vom 6. November 2018 - C-619/16 - juris Rn. 22 und 31). Der Kläger war als Rechtsreferendar im juristischen Vorbereitungsdienst Arbeitnehmer im europarechtlichen Begriffsverständnis; sein Arbeitsverhältnis endete im Sinne von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG mit dem Bestehen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung am 28. Mai 2010 (Vorlagebeschluss des Senats, a.a.O Rn. 19 f.). Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger den ihm nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG zustehenden Mindestjahresurlaub nicht genommen.

Bei Beendigung des juristischen Vorbereitungsdienstes stand dem Kläger für das Jahr 2010 ein Anspruch auf Mindestjahresurlaub von 8 1/10 Tagen zu. Art 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG betrifft (nur) den unionsrechtlich nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie gewährleisteten Mindestjahresurlaub von vier Wochen. Bei einer auch im vorliegenden Fall zugrunde zu legenden 5-Tage-Woche beläuft sich dieser Anspruch auf 20 Tage im Jahr. Da der juristische Vorbereitungsdienst des Klägers am 28. Mai 2010 endete, stand ihm der Mindestjahresurlaub nur anteilig für 8 1/10 Tage zu (20 [Tage]: 52 [Wochen] x 21 [Wochen]). Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der Bruchteil eines Urlaubstages in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen ist und nationalstaatliche Regelungen zur Berechnung anteiliger Urlaubsansprüche wie § 6 Abs. 1 EUrlVO auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG keine Anwendung finden (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 - juris Rn.35; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. Juli 2019 - 5 LA 74/18 - juris Rn. 15; OVG Münster, Urteil vom 22. August 2012 - 1 A 2122/10 - juris Rn. 43; a.A. OVG Bautzen, Urteil vom 5. August 2019 - 2 A 260/17 - juris Rn. 15 f. ).

Dieser Urlaubsanspruch ist mit dem Ende des Ausbildungsverhältnisses nicht mit Wirkung auch für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch verfallen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2018 - 2 B 32.17 - juris Rn. 14; Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 - juris Rn. 20).

Zwar sieht die Erholungsurlaubsverordnung entgegen der Auffassung des Klägers den Verfall des bei Beendigung des Dienst- bzw. Ausbildungsverhältnisses nicht genommenen Urlaubs vor. Urlaub im Sinne der Verordnung ist die bezahlte Freistellung vom Dienst zu Erholungszwecken, die denklogisch nur bei bestehendem Dienstverhältnis realisiert werden kann. Eine Urlaubsabgeltung kennt die Erholungsurlaubsverordnung nicht. Ihr liegt damit die aus der Natur der Sache folgende gesetzgeberische Vorstellung zugrunde, dass mit der Beendigung des Dienstverhältnisses nicht mehr realisierbare Urlaubsansprüche verfallen, ohne dass dies der ausdrücklichen Regelung bedürfte.

Entgegen der vom Kläger über weite Teile des Verfahrens vertretenen Auffassung steht Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nationalen Regelungen, die einen Verfall von Urlaubsansprüchen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch mit Wirkung für den Abgeltungsanspruch vorsehen, nicht von vornherein entgegen.

Der EuGH stellt ausdrücklich klar, dass Art. 7 der RL 2003/88/EG nicht dahin auszulegen ist, dass der Anspruch nach Absatz 1 und - im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses - der Anspruch auf die Vergütung, die gemäß Absatz 2 an seine Stelle treten kann, dem Arbeitnehmer völlig unabhängig von den Umständen erhalten bleiben müssten, die dazu geführt haben, dass er den bezahlten Jahresurlaub nicht genommen hat (a.a.O. Rn. 37). Unter Verweis auf seine Rechtsprechung bekräftigt er, dass sich schon aus dem Wortlaut von Art. 7 der RL 2003/88/EG ergibt, dass die Regelung der konkreten Modalitäten für die Wahrnehmung des mit der Richtlinie gewährten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub dem innerstaatlichen Recht überantwortet bleibt (a.a.O. Rn. 41). Dies präzisiert er dahin, dass die Richtlinie Spielraum für Regelungen lässt, die sogar den Verlust dieses Anspruchs am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums oder am Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn dies in einen solchen Zeitraum fällt, umfassen, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch wahrzunehmen (vgl. a.a.O. Rn. 42, 52).

In Fortentwicklung seiner Rechtsprechung hat der EuGH im vorliegenden Verfahren mit Bindungswirkung für den Senat entschieden und in den tragenden Gründen seines Urteils ausgeführt, dass eine nationale Regelung, die zum Verlust von Urlaubs- und entsprechend Urlaubsabgeltungsansprüchen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, im Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/88/EG nur dann Wirkung entfaltet, wenn der insoweit beweisbelastete Arbeitgeber den Nachweis erbringt, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage zu versetzen, den ihm zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Kann er dies nicht nachweisen, verstieße das Erlöschen des Urlaubsanspruchs und - bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - das entsprechende Ausbleiben der Zahlung einer finanziellen Vergütung für den nicht genommenen Jahresurlaub gegen Art. 7 Abs. 1 und gegen Art. 7 Abs. 2 der RL 2003/88/EG (a.a.O. Rn. 53). Ist der Arbeitgeber hingegen in der Lage, den ihm insoweit obliegenden Beweis zu erbringen, steht Art. 7 Abs. 1 und 2 der RL 2003/88/EG dem Verlust des Urlaubsanspruchs und - bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - dem entsprechenden Wegfall der finanziellen Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen (vgl. a.a.O. Rn. 54).

Die Anforderungen an den Arbeitgeber hat der EuGH in Anbetracht des zwingenden Charakters des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub und angesichts des Erfordernisses, die praktische Wirksamkeit von Art. 7 der RL 2003/88/EG zu gewährleisten, dahin präzisiert, dass er unter anderem verpflichtet ist, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn - erforderlichenfalls förmlich - auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugs- oder eines zulässigen Übertragungszeitraums oder am Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn dies in einen solchen Zeitraum fällt, verfallen wird (a.a.O. Rn. 52).

Der EuGH stellt diese Anforderungen generalisierend für alle Arbeitsverhältnisse auf. Der Arbeitgeber muss alle seine Arbeitnehmer rechtzeitig auffordern, ihren Mindestjahresurlaub anzutreten, und über dessen möglichen Verfall informieren. Stellung und rechtliche Kenntnisse eines Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber bei der konkreten Ausgestaltung der Aufforderung und Information berücksichtigen, sie entbinden ihn aber nicht von vornherein von seiner Verpflichtung, aktiv auf die Wahrnehmung des Urlaubs hinzuwirken (vgl. BAG, Urteil vom 22. Oktober 2019 - 9 AZR 98/19 - juris Rn. 19 zum Urlaubsabgeltungsanspruch eines Geschäftsführers bzw. Leiters einer Geschäftsstelle). So war auch der Beklagte nicht deswegen von der gegenüber dem Kläger bestehenden Verpflichtung befreit, diesen zur Wahrnehmung seines Mindestjahresurlaubs aufzufordern, weil es sich bei dem Kläger um einen Rechtsreferendar in einem Ausbildungsverhältnis handelte.

Der Beklagte hat vorliegend nicht den Nachweis erbracht, dass er den Kläger aufgefordert hat, seinen Urlaub vor Beendigung des Vorbereitungsdienstes zu nehmen. Dem Leitfaden, auf den der Beklagte maßgeblich verweist, lässt sich eine solche Aufforderung nicht entnehmen. Die allgemeine Information zu Beginn der Ausbildung zum Umfang des Urlaubsanspruchs, zu einzelnen Modalitäten der Urlaubsgewährung und zum Verfall des nicht bis zum 31. Dezember des nächsten Kalenderjahres genommen Urlaubs kann auch unter Berücksichtigung, dass es sich bei dem Kläger um einen Rechtsreferendar handelte, nicht im Sinne einer konkreten Aufforderung verstanden werden, den Urlaub, insbesondere auch den Urlaub im Jahr der Beendigung der Ausbildung, tatsächlich wahrzunehmen und nicht verfallen zu lassen. Dass eine solche Aufforderung mündlich etwa im Rahmen der Einführungsveranstaltung erfolgt wäre, trägt der Beklagte nicht vor und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Der dem Kläger zustehende Urlaubsabgeltungsanspruch ist auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu berechnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 2 C 10.12 – juris Rn. 36 und Urteil vom 30. April 2014 - 2 A 8.13 - juris Rn. 20 f.). Der Kläger erhielt im Jahr 2010 eine monatliche Unterhaltsbeihilfe nach § 12 des Berliner Juristenausbildungsgesetzes (JAG) in Höhe von 908,79 Euro. Bei 13 Wochen sowie einer regelmäßigen Arbeitszeit von fünf Tagen pro Woche errechnet sich ein gerundeter Tagessatz von 41,94 Euro. Bei 8,1 auszugleichenden Tagen ergibt sich der mit der Klage geltend gemachte Betrag von 339,71 Euro.

Rechtshängigkeitszinsen kann der Kläger nach den auch im Verwaltungsprozess anwendbaren Vorschriften des § 291 Satz 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2014 - 2 A 8.13 - juris Rn. 23).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO im Hinblick auf die nur einen geringfügigen Teil der Klageforderung betreffende teilweise Klagerücknahme. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG genannten Gründe vorliegt. Die im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen sind durch das Urteil des EuGH vom 6. November 2018 und die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.