Gericht | SG Frankfurt (Oder) 29. Kammer | Entscheidungsdatum | 13.04.2011 | |
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Aktenzeichen | S 29 R 438/10 | ECLI | ||
Dokumententyp | Urteil | Verfahrensgang | - | |
Normen | § 51 SGB 1, § 31 SGB 10, § 850c ZPO, § 36 InsO, § 114 InsO, § 287 InsO, § 294 InsO |
1.) Die Klage wird abgewiesen.
2.) Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, zu Unrecht erbrachte Rentenversicherungsleistungen mit dessen laufenden Rentenbezügen aufzurechnen, obwohl sich der Kläger in Wohlverhaltensphase seiner Privatinsolvenz befindet.
Der Kläger bezog ab dem 1. August 2004 eine teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit bei der Beklagten. Gleichzeitig bezog der Kläger Arbeitslosengeld, welches auf seine Rente anzurechnen war. Hierdurch kam es im Zeitraum vom 1. August 2004 bis 31. Januar 2005 zu Rentenüberzahlungen in Höhe von 2089,49 Euro. Mit bestandskräftigen Bescheid vom 9. Januar 2006 erfolgte eine teilweise Aufhebung des Rentenbescheides des Klägers in der vorgenannten Höhe. Nachdem die Beklagte bei der Agentur für Arbeit keinen Erstattungsanspruch realisieren konnte, erließ sie mit Datum vom 14. März 2006 einen Erstattungsanspruch gegen den Kläger, in der vorgenannten Höhe. Auch dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Mit Bescheid vom 23. September 2008 gewährte die Beklagte dem Kläger eine volle Erwerbsminderungsrente.
Nachdem die Beklagte im Jahr 2009 bereits einmalig einen Betrag von 5,67 Euro mit den laufenden Rentenzahlungen des Klägers aufgerechnet hatte, hörte sie den Kläger zu einer weiteren Aufrechnung des verbleibenden Überzahlungsbetrages an. Am 23. Februar 2010 reichte der Kläger eine Bescheinigung des Sozialamts F. vom gleichen Tag zu seinem Bedarf nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zur Verwaltungsakte der Beklagten. Dieser betrug gemäß der Berechung des Sozialamts F. monatlich 670,95 Euro als Summe des Regelsatz für Alleinstehende und der berücksichtigungsfähigen Kosten der Unterkunft und Heizung. Mit Bescheid vom 4. März 2010 rechnete die Beklagte beginnend ab dem 1. April 2010 einen monatlichen Betrag in Höhe von 87,26 Euro auf die Rente des Klägers welche einen Auszahlbetrag von 758,21 Euro hatte, gemäß § 51 Abs.2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zur Begleichung der vom Kläger geschuldeten 2083,82 Euro auf. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2010 zurück.
Mit der am 16. Juli 2010 eingelegten Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter, dass eine Aufrechnung mit seiner Rente nicht möglich sei. Der Kläger trägt vor, dass am 8. Mai 2007 über sein Vermögen ein Privatinsolvenzverfahren eröffnet worden sei. Die Beklagte habe ihre Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet. Das Amtsgericht F. habe diese im Ergebnis der Forderungsprüfung am 2. August 2007 festgestellt. Er selbst befinde sich derzeit in der Wohlverhaltensperiode.
Der Kläger argumentiert, dass die Aufrechnung der Beklagten rechtswidrig sei, da keine Aufrechnungslage im Sinne des § 387 BGB bestehe. Im Übrigen verstoße die Aufrechnung gegen die Vorschriften der Insolvenzordnung. Eine Privilegierung der Beklagten als Sozialversicherungsträger gegenüber den anderen Gläubigern sei systemwidrig, da sie gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung verstoße.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 1. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist darauf, dass die Aufrechnung der zu Unrecht gezahlten Rentenversicherungsleistungen unter Beachtung der gesetzlichen Vorschriften geschehe. Die Privatinsolvenz des Klägers stehe einer Verrechnung nicht entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der Beratung und Entscheidung waren, Bezug genommen.
Das Gericht durfte ohne mündliche Verhandlung über den Rechtsstreit entscheiden, weil die Beteiligten sich zuvor mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt hatten (§ 124 Abs.2 SGG).
1.
Die Klage ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind. Die Beklagte ist zumindest bis zur Einführung eines höheren Regelsatzes im Sinne des § 28 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) berechtigt, monatlich einen Betrag in Höhe von 87,26 Euro mit den laufenden Rentenzahlungen des Klägers zu verrechnen.
Aus formeller Sicht haben die Bescheide keine Fehler. Sie sind hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), da klar ersichtlich ist, mit welcher bestandskräftigen Forderung in welcher Höhe aufgerechnet wird.
Aus Sicht der Kammer ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte eine Aufrechnung durch einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X vorgenommen hat.
Zur Überzeugung der Kammer stellt eine Verrechnung nach § 52 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 51 Abs.2 SGB I nicht nur die Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts gemäß den §§ 387 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dar, sondern auch eine hoheitliche Maßnahme im Sinne einer Regelung nach § 31 SGB X (Bundessozialgericht, Vorlagebeschluss vom 25. Februar 2010, Az.: B 13 R 76/09 R; so auch Landessozialgericht Berlin – Brandenburg, Beschluss vom 27. Juli 2009, Az.: L 33 R 204/09 B ER, L 33 R 207/09 B PKH, Quelle: jeweils Juris). Der 13. Senat des Bundessozialgerichts erläutert seine Rechtsauffassung hierzu in seinem Vorlagebeschluss vom 25. Februar 2010 wie folgt:
„Nach § 31 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch (SGB X) ist "Verwaltungsakt … jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist".
Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt bei dem hier streitbefangenen Verrechnungsbescheid vom 21.11.2005 darin, dass die in ihm enthaltene Verrechnungserklärung eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des Berechtigten hat, diesen nämlich - soweit die Verrechnungserklärung reicht und sofern sie wirksam ist - zum Erlöschen bringt (vgl BSG SozR 4-1200 § 52 Nr 1 RdNr 8) . Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" in § 31 SGB X ist erfüllt, weil § 52 SGB I eine spezifische Regelung des öffentlichen Rechts zur Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern darstellt. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 SGB I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die ihrem Adressaten - dem Sozialleistungsempfänger - in dieser Form ihrer Art nach nicht zusteht (vgl zu diesem Merkmal U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl 2008, § 35 RdNr 104 mwN; Wolff/Brink, aaO, § 35 RdNr 72 ff; nach Krasney in Kasseler Komm, § 31 SGB X RdNr 6, Stand: Dezember 2003, kommt diesem Gesichtspunkt gegenüber den anderen Voraussetzungen kein eigenes Gewicht zu) .
Im Übrigen ist - anders als im Zivilrecht - nach dem SGB I auch die Aufrechnung (§ 51 SGB I) nicht nur davon abhängig, dass sich der Aufrechnungsberechtigte (die Behörde) hierfür frei entscheidet und dies erklärt. Vielmehr ist - das Gleiche gilt wegen der Verweisung in § 52 SGB I für die Verrechnung - die Erklärung an das pflichtgemäße Ermessen (§ 51 Abs 1 Halbsatz 1, Abs 2 Halbsatz 1 SGB I) und an die Pfändbarkeit der Geldleistungen (Abs 1 Halbsatz 2 aaO) gebunden bzw (nach § 51 Abs 2 SGB I) an die Höhenbegrenzung (bis zur Hälfte) sowie die fehlende Hilfebedürftigkeit des Berechtigten nach der Aufrechnung.
Auch der Gesetzgeber sieht in einer Verrechnungserklärung einen Verwaltungsakt. Dies folgt aus der Regelung des § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, die durch das Zweite Gesetz zur Änderung des SGB vom 13.6.1994 (BGBl I 1229) mit Wirkung ab 18.6.1994 eingefügt wurde. Nach Abs 1 der Vorschrift ist (nur) vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu Äußerung zu geben; dies gilt jedoch nach Abs 2 Nr 7 der Vorschrift nicht, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als (in der ursprünglichen Fassung: 100 DM, jetzt:) 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Hieraus kann nur geschlossen werden, dass - unabhängig von der Höhe - die Verrechnung nach § 52 SGB I ebenso wie die Aufrechnung nach § 51 SGB I durch Verwaltungsakt zu erklären ist (vgl ferner die Entwurfsbegründung zu § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X, BT-Drucks 12/5187 S 35 - Zu Art 6, Zu Nr 1, wonach "materielle Einwände gegen die Aufrechnung bzw. Verrechnung … im Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden" können) .
Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber in nicht zu beanstandender Weise von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, die Aufrechnung und die Verrechnung jedenfalls für den Bereich des Sozialrechts der Handlungsform "Verwaltungsakt" zu unterstellen. Hieran sind die Gerichte gemäß Art 20 Abs 3 GG selbst dann gebunden, wenn sie eine solche Zuordnung aufgrund rechtssystematischer Erwägungen für unzutreffend oder aus praktischen Überlegungen heraus für unerwünscht halten sollten (vgl Wolff/Brink, aaO RdNr 28 f; U. Stelkens, aaO RdNr 13 - beide unter Hinweis auf BVerwGE 70, 77, 82; das Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> hatte sich in dieser Entscheidung veranlasst gesehen, nach einer Rechtsänderung seine frühere Rechtsprechung zur Einordnung einer Schutzbereichanordnung als Rechtsverordnung aufzugeben) . Bei Beachtung des Vorrangs des Gesetzes kann der Regelungsgehalt von § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X auch nicht mit dem Hinweis darauf ausgeblendet werden, dass diese Regelung nur "beiläufig" und "vordergründig" erfolgt sei und deshalb keine Geltung beanspruchen könne (so aber U. Stelkens, aaO RdNr 139, unter Bezugnahme auf Weber, SGb 1999, 225, 229, der sich in nicht näher belegte Spekulationen über die Regelungsabsichten des Gesetzgebers verliert und sich sogar zu der Wendung versteigt, die "eindeutig" in § 24 Abs 2 Nr 7 SGB X erfolgte Beimessung von Verwaltungsaktqualität an die Aufrechung/Verrechnung im Sozialrecht sei "legales Unrecht"; s hierzu treffend Günther, SGb 1999, 609 sowie Wehrhahn, SGb 2007, 468).
Einer über die Bestimmung des § 52 SGB I hinausgehenden ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung für den Erlass eines Verwaltungsakts mit dem Inhalt der Verrechnung bedarf es nicht (zu der jeder Eingriffsermächtigung immanenten "Verwaltungsakt-Befugnis" vgl Wolff/Brink, aaO RdNr 63) . Ganz generell regelt § 8 SGB X, dass das Verwaltungsverfahren des SGB "auf den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist". Da die Verrechnung im SGB geregelt ist, kann und darf ein Verwaltungsverfahren zur Verrechnung mit dem Erlass eines Verwaltungsakts enden.“
Dem schließt sich die Kammer aus eigener Überzeugung an.
Die Bescheide der Beklagten verstoßen ferner auch nicht gegen materielles Recht. Die Beklagte ist gemäß § 51 Abs.2 SGB I berechtigt, eine Aufrechnung in monatlicher Höhe von 87,26 Euro mit den laufenden Rentenzahlungen des Klägers vorzunehmen.
Gemäß § 51 Abs. 2 SGB I kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetzbuch gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wird. Gemäß dieser Norm ist im systematischen Vergleich zur Norm des § 51 Abs.1 SGB I auch eine Aufrechnung zulässig, die dazu führt, dass die Pfändungsfreigrenze unterschritten wird, soweit durch die Aufrechnung keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder SGB XII eintritt.
Die Beklagte ist der zuständige Leistungsträger zur Erbringung der Rente des Klägers. Diese ist eine laufende Geldleistung im Sinne des § 51 Abs.2 SGB I. Die Aufrechnung erfolgt zur Rückerstattung bestandkräftig festgestellter überzahlter Rentenbeträge und somit zur Begleich von zu Unrecht gezahlten Sozialleistungen im Sinne des Sozialgesetzbuches. Die Beklagte hält mit 87,26 Euro monatlich auch nicht mehr als die Hälfte der Rente des Klägers ein.
Weiterhin wird der Kläger durch die Verrechnung der Beklagten in Höhe von monatlich 87,26 Euro auch nicht hilfebedürftig im Sinne des auf den Kläger als Bezieher einer vollen Erwerbsminderungsrente auf Dauer anwendbaren SGB XII.
Gemäß dem Wortlaut der Norm des § 51 Abs.2 SGB I liegt für den Nachweis der Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II bzw. SGB XII die Darlegungs- und Beweislast beim Leistungsempfänger. Allerdings sind das Gericht und die Beklagte im Rahmen der ihnen obliegenden Amtsermittlung ebenso verpflichtet zu prüfen, ob der Kläger durch die Verrechnung von Beiträgen mit seiner Rente nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB XII wird. Insbesondere kann sich weder die Beklagte noch das Gericht darauf beschränken, dass der Kläger keine entsprechende Bescheinigung des Sozialamtes beibringen konnte. Dieses gilt schon aus dem Grund, dass die Sozialämter zur Ausstellung solcher Bescheinigung – losgelöst von einem entsprechenden Antragsverfahren für die Gewährung von Sozialhilfe - nicht verpflichtet sind (vgl. Landessozialgericht Berlin – Brandenburg, Beschluss vom 13. Februar 2008, Aktenzeichen L 23 B 277/07 SO PK, kostenpflichtig zu recherchieren unter www.juris.de). Vorliegend hat das Gericht im Erörterungstermin vom 2. März 2010 ausdrücklich nach seinem im Sinne des SGB XII relevanten Bedarf, einschließlich eventuell bestehender Mehrbedarfe befragt. Darüber hinaus hat es dem anwaltlich vertretenen Kläger eine Schriftsatznachlassfrist eingeräumt, um zusätzlich zu dem durch das Sozialamt F. festgestellten Bedarf vorzutragen. Ein solcher Vortrag erfolgte nicht. Stattdessen wurde eine Entscheidung in der Sache gewünscht. Vor dem Hintergrund hat die Kammer keinen Anlass anzunehmen, dass der vom Sozialamt F. berechnete Bedarf im Sinne des SGB XII in Höhe von 670,95 Euro für Regelsatz und Kosten der Unterkunft zu gering angesetzt ist. Eine weitere Amtsermittlung ist nicht geboten.
Schließlich verstößt die von der Beklagten auf Grundlage des § 51 Abs.2 SGB I vorgenommene Aufrechnung auch nicht gegen die Regeln des Insolvenzrechts.
Zunächst besteht kein Verstoß gegen das Aufrechnungsverbot des § 114 Abs.2 Insolvenzordnung (InsO). Denn das Aufrechnungsverbot des § 114 Abs.2 i.V.m Abs.1 InsO verbietet nur eine Aufrechnung mit Forderungen bzw. Bezügen des Insolvenzschuldners, soweit diese pfändbar sind und somit Teil der Insolvenzmasse werden können (so auch Landessozialgericht Berlin – Brandenburg, Beschluss vom 27. Juli 2009, Az.: L 33 R 204/09 B ER, L 33 R 207/09 B PKH; SG Dormund, Urteil vom 21. Februar 2008, Az.:S 26 R 320/06; SG Stade, Urteil vom 27. August 2008, Az.: S 9 R 226/05, Quelle: jeweils Juris; SG Frankfurt (Oder), Urteil vom 14. September 2010, Aktenzeichen S 29 R 293/08 (nicht veröffentlicht)). Dieses gilt gemäß § 54 Abs.4 SGB I i.V.m. § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO), der gemäß § 36 InsO im Insolvenzrecht entsprechend zur Anwendung gelangt, gerade auch für das Einkommen aus einer gesetzlichen Rente (Löwisch / Caspers in Münchener Kommentar zur InsO, 2. Auflage 2008, zu § 114 InsO Rn 17). Gemäß § 36 Abs.1 InsO gehören Gegenstände die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen nicht zur Insolvenzmasse. Der unpfändbare Teil der Rente wird daher vom Aufrechnungsverbot der Vorschrift des § 114 InsO nicht erfasst (Löwisch / Caspers, a.a.O.). Dieses ist für die Kammer auch überzeugend, da Sinn und Zweck des § 114 InsO der Schutz der vorhandenen Insolvenzmasse und somit auch die Sicherstellung der Gleichbehandlung der Gläubiger ist (vgl. Löwisch / Caspers, a.a.O. Rn 1). Bei einer gemäß der Sondervorschrift des § 51 Abs.2 SGB I möglichen Aufrechnung mit unpfändbaren Beträgen, die nicht zur Insolvenzmasse gehören und auf die die anderen Gläubiger keinen Zugriff haben, kann dieser Schutzzweck nicht verfehlt werden. Die Rente des Klägers liegt vollständig unterhalb der Pfändungsfreigrenze, so dass ein pfändbarer Teil der Rente des Klägers durch die Aufrechnung nicht betroffen ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des 5. Senats des Bundessozialgerichts vom 10. Dezember 2003 (Az.: B 5 RJ 18/03 R, Quelle: Juris). Im Unterschied zum vorliegenden Fall wurde dort eine Auf- bzw. Verrechnung der Rente des dortigen Versicherten mit dem pfändbaren Anteil des Rentenauszahlungsanspruchs vorgenommen, welcher damit Teil der Insolvenzmasse geworden war. Die hieraus gemäß § 114 InsO resultierenden Beschränkungen für eine Auf- bzw. Verrechnung nach den §§ 51 Abs. 2, 52 SGB I, welche im vorgenannten Urteil des BSG, insbesondere hinsichtlich § 114 Abs. 1 InsO, aufgeführt sind, können somit auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden (so auch SG Dortmund, a.a.O. Rn 37, vgl. auch Rn 15 der Entscheidung des Bundessozialgerichts).
Ferner steht auch die Regelung des § 294 InsO weder direkt noch analog einer Verrechnung durch die Beklagte entgegen. Zwar befindet sich der Kläger, in der so genannten Wohlverhaltensphase, so dass die Regelungen des § 294 InsO grundsätzlich einschlägig sein kann. Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 294 InsO sind jedoch nicht erfüllt.
Zunächst verstößt die Verrechnung nicht gegen § 294 Abs.3 InsO. Gemäß dieser Norm kann vom Verpflichteten zur Erbringung von laufenden Bezügen (hier der Beklagten) des Schuldners diesem gegenüber nur aufgerechnet werdensoweit er bei einer Fortdauer des Insolvenzverfahrens nach § 114 Abs. 2 zur Aufrechnung berechtigt wäre. Jedoch ist auch diese Norm nur einschlägig, wenn sie Forderungen betrifft, die grundsätzlich gemäß § 287 Abs.2 InsO an den Treuhänder abzutreten sind. Hierzu zählen die hier in Streit stehenden, gemäß § 850 c ZPO unpfändbaren Rentenansprüche des Klägers gegen die Beklagte jedoch nicht, da diese gemäß § 400 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich nicht abtretbar sind (so auch Landessozialgericht Berlin – Brandenburg, Beschluss vom 27. Juli 2009, Az.: L 33 R 204/09 B ER, L 33 R 207/09 B PKH, Quelle: Juris).
Weiterhin steht auch die Norm des § 294 Abs.1 InsO einer weiteren Verrechnung durch die Beklagte nicht entgegen. Gemäß dieser Norm sind Zwangsvollstreckungen einzelner Gläubiger in das Vermögen des Schuldners während der Laufzeit der Abtretungserklärung ausgeschlossen. Bei der Aufrechnung gemäß § 51 Abs.2 SGB I handelt es sich jedoch nicht um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung. (vgl. Landessozialgericht Berlin – Brandenburg, a.a.O. Rn 20 zur Verrechnung als Sonderform der Aufrechnung in Anschluss an die ebenfalls bereits zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10. Dezember 2003, a.a.O. und des Bundesgerichtshofs vom 29. Mai 2008, a.a.O.).
Schließlich kommt zur Überzeugung der Kammer in Übereinstimmung mit dem vorgenannten Beschluss des Landessozialgerichts Berlin – Brandenburg vom 27. Juli 2009 eine analoge Anwendung des § 294 Abs.1 InsO nicht in Betracht. Das Landessozialgericht führt hierzu Folgendes aus:
„Es wird jedoch die Auffassung vertreten, dass analog § 294 Abs. 1 InsO die Aufrechnung (und dann auch die Verrechnung) in der Wohlverhaltensphase in den Fällen ausgeschlossen ist, bei denen es sich bei der Forderung, gegen die aufgerechnet wird, um eine Insolvenzforderung handelt (vorliegend ist, wie sich aus der Verwaltungsakte der BG ergibt, deren Forderung als Insolvenzforderung in Höhe von 5.244,55 € anerkannt worden). Dies wird damit begründet, dass durch die Zulässigkeit einer Aufrechnung bzw. Verrechnung gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung verstoßen werde. § 294 Abs. 3 InsO sei als Ausnahmevorschrift anzusehen, die zu Gunsten einzelner Gläubiger wie der Arbeitgeber in bestimmten Fällen die an sich ausgeschlossene Aufrechnung gestatte (vgl. die Nachweise im Urteil des BGH vom 21. Juni 2005, Aktenzeichen IX ZR 115/04, Juris Rn. 13 = BGHZ 163, 391-399).
Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Sie ist mit Systematik und Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Ein allgemeines Aufrechnungsverbot für Insolvenzgläubiger in der Wohlverhaltensperiode besteht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2005, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.). Zur Begründung hat der BGH folgendes ausgeführt (juris, RNr. 16 f und 20):
„Die Vorschriften der Insolvenzordnung schließen für die Dauer des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung für einzelne Insolvenzgläubiger sowohl in die Insolvenzmasse als auch in das sonstige Vermögen des Schuldners generell aus ( § 89 Abs. 1 InsO). Demgegenüber sind die Einschränkungen der Aufrechnungsbefugnis gemäß den §§ 94 ff InsO differenzierter ausgestaltet. Ähnliches gilt für den Zeitraum der Wohlverhaltensperiode: Dem in § 294 Abs. 1 InsO geregelten generellen Zwangsvollstreckungsverbot steht die nur für eine bestimmte Fallgestaltung vorgesehene Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit von Insolvenzgläubigern in § 294 Abs. 3 InsO gegenüber. Dieser Differenzierung würde es nicht gerecht werden, das umfassend geltende Zwangsvollstreckungsverbot mit einem generell geltenden Aufrechnungsverbot gleichzusetzen.
§ 294 Abs. 3 InsO läßt sich nicht als eine die Aufrechnung in bestimmten Fällen gestattende Ausnahmevorschrift zu einem ansonsten nach § 294 Abs. 1 InsO in Verbindung mit § 394 Satz 1 BGB geltenden Aufrechnungsausschluß interpretieren. Der Wortlaut der Norm schränkt die - im übrigen bestehende - Aufrechnungsbefugnis lediglich ein. Allein dies war vom Gesetzgeber auch gewollt. In § 233 DiskE-InsO war eine gesonderte Regelung zur Aufrechnung zunächst nicht vorgesehen (vgl. Diskussionsentwurf des BMJ, Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts, Entwurf einer Insolvenzordnung und anderer Reformvorschriften mit Begründung und Anhang [1988]). Das hat Kritik erfahren, weil die dem Schuldner von Dienstbezügen eröffnete Möglichkeit einer Aufrechnung über den in § 114 Abs. 1 und 2 InsO eröffneten Zeitraum hinaus die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger gefährde und mit dem Ziel der Restschuldbefreiung nicht zu vereinbaren sei (Wochner BB 1989, 1065, 1066). Erst daraufhin wurde die Einschränkung der Aufrechnungsbefugnis in § 233 Abs. 3 RefE-InsO und später dann in § 294 Abs. 3 InsO aufgenommen (vgl. FK-InsO/Ahrens, 3. Aufl. § 294 Rn. 35; Döbereiner, Die Restschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung [1997], S. 268 ff). Dieser Regelung lag mithin auch aus der Sicht des Gesetzesgebers die ansonsten unbeschränkte Aufrechnungsmöglichkeit der Insolvenzgläubiger zugrunde. (…)
Ein Ausschluß jedweder Aufrechnung durch Insolvenzgläubiger gemäß § 294 Abs. 1 InsO in Verbindung mit § 394 Satz 1 BGB wäre auch deshalb verfehlt, weil dies den Wertungen widerspräche, die das Gesetz hinsichtlich der Aufrechnungsbefugnis von Insolvenzgläubigern für den Zeitraum des Insolvenzverfahrens in den §§ 94 ff InsO getroffen hat. Ein solcher Wertungswiderspruch ergibt sich dann, wenn Gläubigern im laufenden Insolvenzverfahren die Aufrechnung gestattet ist. Der Schutz der Gläubigergesamtheit rechtfertigt es nicht, solche Gläubiger in dem anschließenden Restschuldbefreiungsverfahren aufgrund eines umfassenden Aufrechnungsverbots schlechter zu stellen.“
Nach Auffassung des Senats würde es auch vorliegend einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn die Verrechnung gemäß § 52 SGB I während der Wohlverhaltensphase aus Gründen der Gleichbehandlung der Gläubiger ausgeschlossen wäre. Die Verrechnung gemäß § 52 SGB I (wie auch die Aufrechnung gemäß § 51 Abs. 2 SGB I) stellt insgesamt eine Privilegierung der Gläubiger von Beitragsforderungen dar, da sogar unterhalb der Pfändungsfreigrenze eine Verrechnung erfolgen darf. Es würde einen Wertungswiderspruch ergeben, wenn dann in der Restschuldbefreiungsphase das Ziel einer auch sonst nicht bestehenden Gläubigergleichbehandlung ein Verrechnungsverbot bedingen sollte. Eine Verrechnung ist daher während der Wohlverhaltensphase nicht analog § 294 Abs. 1 InsO ausgeschlossen.“
Diesen Ausführungen des Landessozialgerichts schließt sich die Kammer an. Ergänzend führt sie aus, dass eine analoge Anwendung des § 294 Abs.1 InsO von der Kammer auch nicht mit Rücksicht auf das durch diese Norm geschützte Gebot der Gleichbehandlung aller Gläubiger für notwendig erachtet wird. Denn dieses Gebot reicht nur so weit, wie die Befriedigungsaussichten der anderen Gläubiger reichen. Da diese auf das nicht abgetretenen Vermögen, anders als gemäß § 51 Abs.2 SGB I die Beklagte, von vornherein keinen Zugriff haben können, kann es auch nicht zu einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots kommen (vgl. Ehricke in Münchener Kommentar zur InsO, 2. Auflage 2008, zu § 294 InsO Rn 55). Die Möglichkeit der Beklagten auch im Insolvenzverfahren mit dem unpfändbaren Teil der Rente der Klägerin verrechnen zu können, entspricht nach Auffassung der Kammer vielmehr der im Vergleich von § 51 Abs.1 SGB I zu § 51 Abs.2 zu Tage tretenden und vom Gesetzgeber zum Schutz des Sozialversicherungssystems gewollten Privilegierung der Träger von Sozialleistungen gegenüber allen anderen Gläubigern, wenn es um die Erstattung zu Unrecht gezahlter Sozialleistungen oder um die Durchsetzung von Beitragsansprüchen nach dem Sozialgesetzbuch geht (vgl. auch § 255 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 266a Strafgesetzbuch (StGB)). Diese Privilegierung ist verfassungskonform, da die Leistungsfähigkeit der Sozialleistungsträger ganz wesentlich davon abhängt, dass diese ihre Beitrags- und Rückforderungsansprüche für zu Unrecht geleistete Sozialleistungen effektiv durchsetzen können. Der Kläger könnte sich im Übrigen mangels Betroffenheit seiner eigenen subjektiven Rechte nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger berufen.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.