Gericht | OVG Berlin-Brandenburg 11. Senat | Entscheidungsdatum | 18.05.2011 | |
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Aktenzeichen | OVG 11 S 20.11 | ECLI | ||
Dokumententyp | Beschluss | Verfahrensgang | - | |
Normen | KönigsHavelLSchGebV BB, § 80 Abs 3 VwGO, § 80 Abs 5 VwGO, § 146 Abs 4 VwGO |
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 22. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
I.
Der Antragsteller ist - zusammen mit seiner Ehefrau - seit 1999 Miteigentümer des Grundstücks S... von Potsdam. Auf dem bis an das Ufer des G... Sees heranreichenden Grundstück war im ufernahen Bereich parallel zur Uferlinie ein zu den früheren Grenzsicherungsanlagen der DDR zählender Kolonnenweg angelegt, der von Fußgängern und Fahrradfahrern genutzt wurde. Nachdem nach Angaben des Antragstellers eine einvernehmliche Regelung über die Nutzung des Uferstreifens mit dem Antragsgegner nicht zustande kam, veranlassten er und seine Ehefrau Anfang 2010 im Bereich ihres Grundstücks die Entfernung der Beton- und Teerdecke dieses Weges. Im folgenden Frühjahr sperrten sie diesen Wegbereich an der nördlichen und südlichen Grundstücksgrenze mittels Stahlketten und rot-weißem Absperrband und bepflanzten ihn - und den ufernahen Bereich - neben Rasen mit einheimischen Pflanzen, wie sie auch im dort gültigen Bebauungsplan Nr. der Gemeinde G... vorgesehen sind.
Nachdem die Stahlketten im Hinblick auf eine vor allem baurechtlich begründete Beseitigungsanordnung des Antragsgegners vom 3. September 2010 entfernt worden waren, ordnete dieser mit zwei gleichlautenden, an beide Eheleute gerichteten und für sofort vollziehbar erklärten Bescheiden vom 30. November 2010 an, auch die Absperrung mittels der rot-weißen Absperrbänder binnen vierzehn Tagen nach Bescheidzugang zu entfernen und dies schriftlich anzuzeigen (1.), die Anpflanzungen zu beseitigen und dies schriftlich anzuzeigen (2.) sowie jegliche gärtnerische Nutzung in dem ca. 5 m breiten ufernahen Bereich zu unterlassen (3.). Zur Begründung wurde auf die entgegenstehenden Vorschriften der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Königswald mit Havelseen und Seeburger Agrarlandschaft“ vom 30. November 1998 (nachfolgend: LSG-VO) verwiesen, in deren Schutzgebiet das Grundstücke der Eheleute unstreitig liegt.
Das Verwaltungsgericht Potsdam hat auf die Anträge des Antragstellers und seiner Ehefrau nach § 80 Abs. 5 VwGO durch gleichlautende Beschlüsse vom 22. Februar 2011 die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche hinsichtlich der Anordnungen zu 2. und 3. wiederhergestellt und hinsichtlich der Anordnung zu 1., d.h. der aufgegebenen Entfernung der rot-weißen Absperrbänder, abgelehnt. Hinsichtlich der letztgenannten Anordnung hat es materiell im Wesentlichen ausgeführt, durch die weithin sichtbaren Absperrbänder werde das Landschaftsbild unter Verstoß gegen den Schutzzweck des § 3 Nr. 2 LSG-VO erheblich beeinträchtigt, da diese sowohl vom Wasser wie auch von den frei zugänglichen Teilen des ehemaligen Uferweges her deutlich wahrnehmbar verunstaltend wirkten und zudem zu einer „Parzellierung“ des Landschaftsbildes führten.
II.
Die im vorliegenden Verfahren nur streitgegenständliche Beschwerde des Antragstellers - hinsichtlich der Ehefrau wurde Beschwerde im Verfahren OVG 11 S 21.11 erhoben; der Antragsgegner hat die Teilstattgabe in den Beschlüssen nicht angefochten - hat keinen Erfolg. Das gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO nur zu berücksichtigende Beschwerdevorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.
1. Der Antragsteller rügt zu Unrecht, dass der Antragsgegner das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Entfernungsgebots nicht ausreichend und gesondert begründet und das Verwaltungsgericht dessen fehlerhafte Argumentation übernommen habe, es solle die negative Vorbildwirkung verhindert werden, die von einer „Sperrung“ ausgehe. Tatsächlich habe es lediglich um die negative Vorbildwirkung durch das „rot-weiße Flatterband“ gehen dürfen und bezwecke der Antragsgegner nur die Einschüchterung der Nachbarn.
Das Begründungserfordernis gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll die Behörde dazu anhalten, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung mit Blick auf den grundsätzlich gemäß § 80 Abs. 1 VwGO durch einen Rechtsbehelf eintretenden Suspensiveffekt bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzugs sorgfältig zu prüfen. Zugleich soll der Betroffene über die für die Behörde maßgeblichen Gründe des von ihr angenommenen überwiegenden Sofortvollzugsinteresses informiert werden, damit darüber hinaus in einem möglichen Rechtsschutzverfahren dem Gericht die Erwägungen der Behörde zur Kenntnis gebracht und zur Überprüfung gestellt werden können. Für die Frage der ordnungsgemäßen Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kommt es nicht bereits darauf an, ob die Annahme eines Überwiegens des sofortigen Vollzugsinteresses aus den angegebenen Gründen - auf deren Überprüfung der Senat nicht beschränkt ist - bereits voll zu überzeugen vermag (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschlüsse vom 23. März 2007 - 11 S 13.07 -, n.v., vom 27. März 2006 - 11 S 49.05 -, n.v., und vom 9. September 2005 - 11 S 13.05 -, zit. nach juris; OVG Brandenburg, Beschluss vom 29. November 2004 - 4 B 107.04 -, zit. nach juris; Beschluss vom 14. Oktober 2004 - 4 B 228.04 -, ZfB 2005, 20 ff.).
Den hiernach zu beachtenden Begründungsanforderungen wird die der angegriffenen Ordnungsverfügung beigefügte Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung gerecht, denn sie lässt erkennen, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters einer Anordnung der sofortigen Vollziehung bewusst war. Soweit das Verwaltungsgericht hierzu ausgeführt hat (Seite 4 Ziffer 2 Abs. 2), dass diese Begründung sich nicht in der Wiederholung der Begründung der angegriffenen Anordnung erschöpfe, sondern darüber hinaus darauf hinweise, dass von den abgesperrten Grundstücken eine negative Vorbildwirkung für die Eigentümer ausgehe, die sich noch nicht an der „Sperrung“ beteiligt hätten - so in der Tat die zusätzliche Begründung im Bescheid -, liegt darin auch keine „fehlerhafte Argumentation“, d.h. die Berücksichtigung eines öffentlichen Interesses, das vorliegend nicht in die Abwägung einzustellen war. Denn die Begründung, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei auch wegen der negativen Vorbildwirkung auf andere Bürger geboten, die „von den durch Sie ausgeführten Sperrungen und Anpflanzungen“ ausgehe, bezieht sich hinsichtlich des Begriffs „Sperrung“ ersichtlich auf die beanstandeten „Absperrungen in Form des rot-weißen Absperrbandes“ in Ziffer 1. des Bescheids. Darauf, ob diese Begründung letztlich überzeugend und allein bereits geeignet ist, die Anordnung des Sofortvollzugs zu tragen, kommt es aus den dargelegten Gründen nicht an.
2. Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten der öffentlichen Vollzugsinteressen ausfalle, da sich die angegriffene Verfügung zur Entfernung der Flatterbänder bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweise, ist auch in Ansehung der dagegen vorgebrachten Beschwerdegründe nicht zu beanstanden.
Soweit der Antragsteller zunächst geltend macht, das Verwaltungsgericht habe fehlerhaft unberücksichtigt gelassen, dass es - wie die Vorgeschichte mit Beseitigungsanordnungen eines Bauzaunes, einer Hecke und der Stahlkette, die zum Schutz ihres Grundstücks vor unbefugtem Betreten durch Dritte angebracht worden seien, belege - dem Antragsgegner mit seiner Anordnung der Entfernung des rot-weißen Absperrbandes „gar nicht um den Landschaftsschutz geht, sondern um die widerrechtliche Erzwingung eines Weges“, begründet das keine berechtigten Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Dass der Antragsgegner Absperrmaßnahmen baulicher Art, gestützt vor allem auf baurechtliche Anordnungen, oder sonstiger Art, etwa durch rot-weißes Absperrband, gestützt auf die Vorschriften der LSG-VO, verhindern will, lässt jedenfalls bei der vorliegend nur gebotenen summarischen Prüfung nicht den behaupteten Schluss zu, diesem gehe es in rechtsmissbräuchlicher Weise nur um die Erzwingung eines Wegerechts, d.h. die Ermöglichung eines Betretens des Grundstücks durch ggf. unbefugte Dritte. Dafür bieten weder die - im Verwaltungsvorgang befindliche, auf Regelungen der Brandenburgischen Bauordnung und die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. der Gemeinde G... sowie daneben auf § 4 Abs. 2 LSG-VO gestützte - Beseitigungsanordnung vom 3. September 2010 betreffend die Stahlketten hinreichende Anhaltspunkte noch die streitgegenständliche Anordnung der Entfernung des rot-weißen Absperrbandes. Im diesbezüglichen Bescheid vom 30. November 2010 wird diese Regelung tragend vielmehr vor allem damit begründet, entgegen den Regelungen der LSG-VO werde durch die Sperrung des Uferwegs und -grundstücks der Charakter des Schutzgebiets insoweit verändert, dass die bisher vorhandene einheitliche Durchgängigkeit und Erlebbarkeit der seit mehr als 15 Jahren weitgehend unkultivierten und naturbelassenen Uferlandschaft am G... See in diesem Bereich unterbunden werde. Dies werde vom Erholungssuchenden als Unterbrechung und Parzellierung wahrgenommen, wodurch der ursprüngliche Gebietscharakter verloren gehe. Das Ziel der Sicherstellung der Schutzzwecke der LSG-VO hat der Antragsgegner auch im Rahmen der Antragserwiderung vom 30. Dezember 2010 und, wenn auch knapp, im Beschwerdeerwiderungsschriftsatz vom 15. April 2011 betont, wo es heißt, die Absperrungen führten im Landschaftsschutzgebiet zu einer unzulässigen (vermeidbaren) Beeinträchtigung der Erlebbarkeit und negativen Veränderung des Landschaftsbildes (Fremdkörper- und Parzellierungswirkung).
Soweit der Antragsteller weiterhin geltend macht, ein Flatterband könne, auch wenn es rot-weiß sei, das Schutzgut der Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft schon gar nicht „erheblich“ beeinträchtigen, wird das nicht näher begründet. Insofern fehlt es deshalb schon an der gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO notwendigen Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Ausführungen im verwaltungsgerichtlichen Beschluss. Im Übrigen geben die in der Streitakte und im Verwaltungsvorgang befindlichen Fotos keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
Verfehlt ist auch der vom Antragsteller u.a. in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe nicht abgewogen, welches geringer „beeinträchtigende“ Mittel - auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit - den Sinn des rot-weißen Flatterbandes habe ersetzen können, ein „tarnfarbenes Band“ würde Fahrradfahrer jedenfalls nicht rechtzeitig warnen. Denn es ist im Rahmen des vorliegenden Streitgegenstandes nicht Aufgabe der (Verwaltungs)Gerichte, dem Antragsteller aufzuzeigen, welche Absperrmaßnahmen in einem Landschaftsschutzgebiet zum Schutz eines Grundstücks vor - ggf. unbefugtem - Betreten zulässig und gleichzeitig zum Schutz von Dritten geboten sind.
Das weitere Vorbringen des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe im Rahmen der Frage, ob das „rot-weiße Flatterband“ zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Landschaftsbildes führe, „berücksichtigen müssen, dass am Ufer mit Zustimmung des Antragsgegners erhebliche Verunstaltungen durch metallene Zäune und ähnliches erfolgen, die angeblich keine Verunstaltung darstellen“, rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Insoweit fehlt es schon an näherer Darlegung und Glaubhaftmachung, welche angeblichen Verunstaltungen damit überhaupt gemeint sind. Im Übrigen ist aber auch nicht dargelegt, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt dies die Anordnung der Entfernung des Absperrbandes rechtswidrig machen soll.
Soweit der Antragsteller annimmt, § 3 Nr. 2 LSG-VO schütze nicht vor „Parzellierung“, da dieser Begriff dort nicht benannt werde und das auch den Sinn der Norm überspanne, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn zur Eigenart und Schönheit eines Landschaftsbildes kann natürlich auch die Offenheit einer Landschaft, d.h. die fehlende räumliche Abgrenzung bzw. Untergliederung durch deutlich sichtbare Absperrungen, gehören, insbesondere wenn dies - so der verwaltungsgerichtliche Beschluss zu Recht - den Eindruck eines weithin sichtbaren Fremdkörpers in einer Landschaft erweckt.
Inwiefern das Verbot der Parzellierung das Recht des Antragstellers auf Gleichbehandlung unter dem Gesichtspunkt verletzt, dass seitens des Antragsgegners angeblich hingenommen wird, dass dessen eigene Grundstücke im Uferbereich völlig verwahrlosten und zu einer „Hundekloake“ würden, ist weder dargelegt noch ersichtlich.
Wenn der Antragsteller zur Begründung der Behauptung, der Antragsgegner habe sein Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt wird, geltend macht, dieser sei „richtigerweise“ nicht gegen die Anlieger benachbarter Gärten vorgegangen, die ihre Gärten durch Anpflanzungen wieder in Besitz genommen hätten, ist das schon deshalb verfehlt, weil es im vorliegenden Beschwerdeverfahren allein um die Anordnung der Entfernung der „rot-weißen Absperrbänder“ an den Grenzen ihres Grundstücks - und nicht um die Bepflanzung des ehemaligen Kolonnenweges auf ihrem Grundstück - geht.
Dass die Entfernungsanordnung des Antragsgegners den Antragsteller in seinen Grundrechten verletzt, ist nach alledem nicht ersichtlich. Insbesondere handelt es sich dabei um eine aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes zulässige Beschränkung des Grundstückseigentums, mithin eine nicht unverhältnismäßige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Hierdurch konkretisiert sich die Sozialgebundenheit des Eigentums, die dem Grundstück - bereits beim Erwerb durch die Eheleute 1999 - aufgrund seiner Lage im Geltungsbereich der LSG-VO und seines Zustandes bereits anhaftete und die es prägte (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 - 6 C 3.97 -, NuR 1998, 541, 543 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).